Armenien

Klöster & Kreuzsteine im kleinen Kaukasus

- Teil 2 -



Tag 5 – Yerevan (Norawank – Weingut Trinity – Weingut Old Bridge – Weingut Momik)

Das Kloster am Ende der Schlucht


Pünktlich werden wir morgens von unserem weiblichen Guide und einem Fahrer abgeholt. Wer mich ein wenig kennt, wird sich möglicherweise verwundert die Augen reiben beim Lesen des heutigen Programms. Dennoch sollte es nicht zu sehr in Erstaunen versetzen, wenn man doch die eine oder andere Reise von uns verfolgt hat. 


Wir haben eine Weintour gebucht, und ich kann getrost sagen, ich bin alles andere als trinkfest. Nichtsdestotrotz lieben wir beide Weinanbaugebiete, besichtigen mit Vorliebe Weingüter und testen ebenso gerne das Produkt.


Vor der Qualitätskontrolle der einzelnen Rebensäfte steht jedoch die Kultur. Über die Araratebene fahren wir etwa zwei Stunden südlich. Hier werden verschiedenste Früchte angebaut, derzeit ist Hochsaison für Aprikosen. In einigen Dörfern entlang der Straße tummeln sich Störche. Fast auf jedem Strommast befindet sich ein Nest, aus dem die Babystörche rausschauen. Das wäre bei uns sicherlich ein Touristenmagnet schlechthin.


Wir verlassen die Ebene. Die Grenze zu Aserbaidschan befindet sich nun nur noch wenige Kilometer entfernt. Die Straße windet sich in die Höhe. Mein Höhenmesser zeigt mittlerweile 1.600 Meter über Meereshöhe an. 


Wir fahren durch die wunderschöne Amaghu-Schlucht, an deren Ende ein Kloster liegt, das Kloster Norawank. Ich hatte gelesen, dass es als eines der schönsten Klöster Armeniens gilt. Es wurde nicht zu viel versprochen.

Zum einen ist es die phantastische Lage, zum anderen sind es die Reliefs, die uns beeindrucken, aber auch die Räume im Inneren, deren Boden von vielen Jahrhundert alten Gräbern geprägt sind. Norawank ist absolut besuchenswert. Wir haben zudem das Glück, dass wir früh genug vor Ort sind, bevor die Reisegruppen eintreffen.

Der Wein, der klassische Musik hört


In Armenien wurden bei Ausgrabungen die ältesten Spuren der Weinherstellung entdeckt. Sie sollen etwa 6.100 Jahre alt sein. 


Danach sind die Produkte des Weingutes Trinity benannt. Alle Weine sind Bio und mehrere haben französische Preise gewonnen. Die Weinproduktion im Familienbetrieb mit zehn festen Angestellten wird liebevoll betrieben, dazu gehört auch, dass die Weine Musik hören. Während wir durch die Produktion geführt werden, begleitet uns musikalisch Johann Sebastian Bach.


Die anschließende Verkostung mit vier Weinen und einem eher dem Likör zuordenbaren Wein ist ausgesprochen nett, informativ und unterhaltsam. Mir schmeckt einmal mehr der Weißwein am besten. Die Arani Traube, die typisch für Armenien ist, verleiht den Weinen eine ganz besondere Note. Ich nehme einen Geschmack wahr, wie ich ihn bisher so noch nicht gekostet habe.


Wir sind während unseres gesamten Aufenthaltes die einzigen Gäste und profitieren zudem vom Fachwissen unseres Guides, die in Frankreich zum Thema Wein einen Abschluss gemacht hat. Wir könnten heute in keinen besseren Händen sein.

Blümerant


Zum späteren Mittagessen fahren wir zum familiengeführten Weingut One Bridge. Hier gibt es ein Restaurant. Wir sitzen draußen und können es einmal mehr kaum fassen, was so alles auf den Tisch kommt. Das Essen wird begleitet von einer weiteren Weinverkostung, vier Weinen und einem Grappa. Dabei ist mir schon nach Trinity etwas blümerant. Ich koste nur wenig, aber von jedem. Gut, dass es Essen gibt. Unser Guide und unser Fahrer sitzen mit uns am Tisch. Beide sind super sympathisch - mein Mann wird später sagen, unser Guide war mit der/die beste, den/die wir jemals hatten. 

Mit dem sich blümerant fühlen, geht es weiter, findet sich doch ein weiteres Weingut auf unserem Programm. Der Momik Wine Cube steht mitten in der Rebenlandschaft, einfach toll. In diesem Weingut arbeiten lediglich das Eigentümerpaar sowie die Mutter der Frau und deren Tante. Noch einmal weitere vier Weine und dann haben wir es geschafft. 

In Trinity haben uns die Weine am besten geschmeckt und die Führung hat uns sehr gut gefallen, in Old Bridge war das Essen hervorragend und Momik besticht durch seine wunderbare Lage. 



Nach elf Stunden sind wir zurück in Yerevan. Es war erneut ein wunderschöner Tag, nur sind für uns drei Weinproben doch etwas viel. Das müssen wir das nächste Mal unbedingt auf eine pro Tag beschränken.


Tag 6 – Yerevan (Gedenkstätte Zizernakaberd – Oper La Traviata)

La Traviata


Außerhalb von Yerevans Zentrum liegt auf einem Hügel die Gedenkstätte Zizernakaberd, was übersetzt Schwalbenfestung bedeutet. 


Hier befindet sich das Mahnmal mit dem ewigen Feuer und ein Museum, das an die eineinhalb Millionen Armenier erinnert, die im Jahr 1915 ihr Leben verloren. Wir nehmen uns lange Zeit für den Besuch dieser Gedenkstätte. Mir fehlen die Worte, zu diesem Besuch mehr zu schreiben. 

Für den Abend gibt es eine Premiere für mich. Ich war noch nie in der Oper, wollte das aber schon seit langem umsetzen. Genau genommen war ich schon des Öfteren in der Oper, das waren allerdings immer Führungen außerhalb von Vorstellungen bzw. zu unserem Besuch in Sydneys Opernhaus wurde keine klassische Oper gespielt.


Heute wird im Opernhaus von Yerevan La Traviata von Giuseppe Verdi aufgeführt und das will ich mir anschauen. Die Karte habe ich am Morgen gekauft, ich werde alleine gehen.


Die Vorstellung ist sehr gut besucht und es gefällt mir. Ich kann mir vorstellen, weitere klassische Opern anzuschauen, wenn sich die Möglichkeit ergibt.


Tag 7 – Yerevan (Kloster Hajrawank – Noratus – Sewansee - Sewanawank)

Es wird mystisch 


Mit etwa 30 auf 70 Kilometer ist der Sewansee der größte See des Landes. Er liegt auf knapp 2.000 Metern Höhe.


Die Straße von Yerevan windet sich für uns nicht spürbar hinauf. Wäre die Temperatur am See nicht merklich niedriger und wüsste ich es nicht, hätte ich die Zahl auf dem Höhenmesser wohl nicht für bare Münze genommen.


Das Land ist voll von christlichen Spuren, voll von Kirchen, voll von Klöstern. Zwei davon stehen heute noch einmal auf unserem Programm, dann soll es aber auch reichen. Wer mag, kann sicherlich viele weitere Tage mit solchen Besichtigungen verbringen.


Wir fahren zum Kloster Hajrawank, das aus dem 9. Jahrhundert stammt. Durch den Gavit gelangen wir zur Kirche mit dem Altar. Wir hören, dass der dort hängende Vorhang ein Zeichen dafür ist, dass noch regelmäßig Gottesdienste stattfinden. Der Vorhang wird immer für 40 Tage nach Ostern verschlossen. Wer nach Armenien reist und Altare sehen möchte, sollte besser die Zeit bis Himmelfahrt meiden.


Dieser Ort hat geradezu etwas Mystisches. Seine wunderbare Lage oberhalb des Sees und die Kreuzsteine tragen viel dazu bei. Wahrscheinlich aber auch der Fakt, dass dieser Ort weniger besucht wird. Während unseres Aufenthaltes kommt ein junges Paar vorbei, das nach ein paar schnellen Fotos schon wieder verschwindet.


Dies ist ein ganz wunderbarer Ort.

Faszination pur: Feld der Kreuzsteine


Oberhalb auf einem kleinen Hügel des gleichnamigen Ortes liegt Noratus. Ein Feld mit Kreuzsteinen, dessen Ränder nach wie vor als Friedhof mit teils gewaltigen Grabstätten fungiert.


Unser vorrangiges Interesse gilt aber dem größten Kreuzsteinfeld, das noch existiert. Etwa 800 dieser Kunstwerke, alle streng nach Westen schauend, stehen und liegen hier. Sie stammen aus verschiedenen Jahrhunderten, die ältesten Exemplare bringen es auf 1.200 Jahre. Kein Kreuzstein gleicht dem anderen, nicht hier und nicht woanders.


Wir beide müssen unwillkürlich sofort und unabhängig voneinander, obwohl es objektiv betrachtet keinerlei Gemeinsamkeit gibt, an die Moais auf der Osterinsel denken. 

Bis noch vor gar nicht allzu langer Zeit, ganze zwei bis drei Jahrzehnte zurückliegend, existierte ein Feld mit Kreuzsteinen, das über 2.700 Exemplare verfügte. Wie gewaltig muss dieses gewesen sein, wo wir von dem Kreuzsteinfeld hier in Noratus schon tief beeindruckt sind. Das größere Feld lag in Aserbaidschan, wurde aber zerstört. Mir war das nicht bewusst, und ich kann mich auch nicht erinnern, darüber etwas in den Nachrichten gehört zu haben. Das ist so traurig und immer wieder vernahmen wir in den letzten Tagen das tiefe Bedauern der Armenier darüber. 


Gerade verlässt eine deutsche Reisegruppe den Ort, als wir mit unserer Besichtigung beginnen. Wir haben das Kreuzsteinfeld nun ganz für uns alleine, was für ein Privileg. 


Ich bin hellauf begeistert, hier könnte man Stunden verbringen und stöbern.

Vorbei ist‘s mit der Ruhe


Auf einer Halbinsel, die eigentlich einmal eine Insel war, bevor man zu viel Wasser dem See entnahm, befindet sich das Kloster Sewanawank. Dieses stammt wie das Kloster Hajrawank aus dem 9. Jahrhundert. 


Hier ist es schlagartig mit der Ruhe und der Mystik vorbei. Souvenirläden preisen ihr Angebot an, die Touristen kämpfen sich die vielen Stufen zum Kloster hinauf. 


Oben angekommen wird es laut, nicht nur von den Touristen, sondern auch von der ewig herumfliegenden Drohne. Leider ist das an diesem Ort nicht verboten. Mich nervt es. 


Von der Klosteranlage sind lediglich die beiden Kapellen übrig und die Grundmauern der Mönchszellen. Das wäre sicherlich ein wunderschöner Ort mit dem Blick hoch über dem Sewansee, wenn diese Drohne nicht ständig umherschwirren würde. 

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Tag 8 – Yerevan (Alphabet – Aragats - Bibliothek Matenadaran)

Ein Alphabet auch für Zahlen


Die Armenier haben ihr eigenes Alphabet und sie sind sehr stolz darauf. So stolz, dass es sogar seit zwanzig Jahren einen kleinen Park gibt zu Ehren des Alphabets. Es gehört quasi zu ihrer Identität. Das armenische Alphabet besteht aus 36 Buchstaben und wird auch für Zahlen verwendet. Einer unserer Guides hat uns das System erklärt und wenn man es kennt, ist das Prinzip logisch. Nur viel nutzt es mir nicht, ich müsste wohl Schreiben und Lesen mit diesen Lettern neu lernen.


Unser Fahrer zeigt uns die passenden Buchstaben zu unseren Vornamen. Mir gefällt, dass sie tatsächlich nebeneinanderstehen.


Der kleine Alphabet Park liegt etwa eine Autostunde nördlich von Yerevan und mehr oder weniger auf dem Weg zu unserem heutigen Hauptziel.

Die Luft wird dünner


Der höchste Berg des kleinen Armeniens ist ein Vulkan und trägt den Namen Aragats. Der Aragats bringt es auf eine Höhe von 4.095 Meter.


Bis auf 3.200 Meter führt eine mit Schlaglöchern gesprenkelte Straße. Hier liegt der Kari-See. Das ist unser Ziel.


Die Straße schlängelt sich in Serpentinen in die Höhe, anfangs noch durch Orte. Irgendwann lässt die Besiedelung nach. Wir befinden uns nun in einer Graslandschaft, in der die blühenden Blümchen den Frühling anzeigen. Es ist wunderschön hier oben, zumindest für uns Touristen.

Wir fahren an vorübergehenden, einfachen Behausungen vorbei. Es sind die Wohn- und Arbeitsstätten der Hirten und ihrer Familien, die während der Sommermonate hier oben leben. 

Uralte Bücher und Schriften


Nach einem einmal mehr hervorragenden Essen in einem der so gemütlichen Freiluftrestaurants im Zentrum der Hauptstadt schleppe ich mich alleine bei brütender Hitze gute zwei Kilometer bergauf zur Bibliothek Matenadaran. 

Den Armeniern sind Bücher und Handschriften heilig und an diesem Ort werden uralte Schriften und Bücher aufbewahrt und einige davon ausgestellt. Hier wird nach wie vor geforscht und Wissenschaftler kommen aus aller Herren Länder nach Matenadaran.


Mich beeindruckt sehr, welche Werke man vor vielen Jahrhunderten bereits erstellt hat.


Tag 9 – Yerevan - Frankfurt

Abschied von Armenien


Die Flugzeit des Rückflugs ist auch nicht besser als die des Hinfluges. Sprichwörtlich mitten in der Nacht um 01:45 Uhr werden wir von einem sehr freundlichen Fahrer abgeholt. Der Lufthansa Flug soll um 05:35 Uhr Yerevan verlassen.



Nach Mitternacht kam die E-Mail, dass sich die Maschine um eine halbe Stunde verspätet. Mal sehen, ob es dabei bleibt. Den Transfer umzubestellen, machte keinen Sinn. Hatten wir früher mit der Lufthansa so gut wie nie Verspätung, ist dies leider seit Corona der Normalfall für uns. Wenn es sich im Rahmen hält, wie hoffentlich heute, ist es zwar lästig, aber okay, auch wenn ich dem entgangenen Schlaf nachtrauere.


Der Flughafen ist recht übersichtlich und hat, soweit ich das sehen kann, ganze sechs Gates.


Die Passkontrolle verläuft zügig und freundlich, die anschließend folgende Sicherheitskontrolle spottet jedoch jeglicher Beschreibung. Wir sind nun schon ein paar Mal geflogen, aber so eine unfreundliche Behandlung haben wir noch nie erlebt - mit Abstand nicht. Der Handgepäcktrolley meines Mannes muss von ihm geöffnet werden. Dann wird er zu einem anderen Tisch geschleppt und so behandelt, dass ich Bedenken habe, ihn in Einzelteilen zurückzuerhalten. Die Medikamente werden aus einer Höhe von guten 40 Zentimetern ausgeschüttet, alles wird mit einer Lustlosigkeit durchwühlt und der nun auf das Vielfache an Volumen angewachsene Inhalt samt Trolley wieder auf den Tisch vor uns geknallt. Dass außer unserem Schlüssel nichts herausfällt, grenzt schon an ein Wunder. Zum Glück bemerkt dies mein Mann. Das Ganze wird mit einer Unfreundlichkeit und Griesgrämigkeit begleitet, die ihresgleichen sucht. Es ist aber nicht nur bei einer Person, bei der man sagen könnte, die Nachtschicht bekommt nicht, sondern bei mehreren der Fall.


Leider ist einer der letzten Eindrücke nicht schön und steht ganz im Gegensatz zu dem, was wir hier sonst erlebt haben. Meiner Meinung nach gibt es an dieser Stelle erheblichen Verbesserungsbedarf, wenn man seine Gäste anders verabschieden will. 


In der übersichtlichen Lounge warten wir auf unseren Flug nach Hause.


Fazit


War das tatsächlich nur eine Woche? Wir können es kaum glauben, so viele Eindrücke, wie wir gesammelt haben. Die Zeit erscheint uns so viel länger. 


Ich hatte es bereits zu Beginn geschrieben, dass wir uns beide nicht sicher waren, was uns erwarten und wie es uns gefallen würde im kleinen Armenien. Nun wissen wir es, Armenien hat uns sehr gefallen und uns immer (die Sicherheitskontrolle ausgenommen) nur positiv überrascht. 


Sicherlich waren es einige Kirchen und Klöster, die wir besichtigt haben, aber wenn nicht hier, in diesem Land mit dieser Geschichte, wo sonst? Ich habe einige Male bei mir festgestellt, dass mir diese Besuche unter die Haut gingen.


Aber es gab natürlich auch anderes zu sehen und nicht zuletzt zu schmecken, wie auf der Weintour, aber auch generell das hervorragende Essen. Unser drei Meter breites Hotel hatte eine Lage, die man wohl kaum topen kann. 


Es war eine rundum gelungene Woche, und wir sind sehr froh über die Wahl unseres Reiseziels.



„Wer die Abenteuerlichkeit des Reisens ins Blut bekommt, wird diese nicht wieder los.“   - Bruno H. Bürgel