Arg. Chile Teil 1 - Buenos Aires bis Purmamarca


Argentinien und Chile

Atem(be)raubende Landschaften, ein Auto mit Soroche und Geschichten von Pisco, Torrontés, Quilmes und Submarino

- Teil 1 von Buenos Aires bis Purmamarca -



Prolog


Argentinien und Chile – es ist nicht unsere erste Reise in diese Länder. Einige Jahre zuvor waren mein Mann und ich bereits mit Mietwagen für fünf Wochen in diesen beiden Ländern unterwegs. Wir waren seinerzeit für fünf Nächte in der Atacama, zwei Wochen im argentinischen und chilenischen Seengebiet, zwei Wochen im südlichen Patagonien sowie zum Abschluss in Santiago de Chile und Valparaíso. Darüber hinaus hatte ich ein Jahr vor unserer Ersttätertour mit einer Freundin eine Stippvisite nach Argentinien und Brasilien unternommen. Ich lernte die faszinierende Metropole Buenos Aires kennen, hatte Wale in den Gewässern rund um die Halbinsel Valdés bestaunt, fand mich in einer Pinguinkolonie wieder, wurde nass beim Besuch der wunderschönen Iguazu Wasserfälle und staunte über die imposante Lage von Rio de Janeiro. 


Für meinen Mann und mich stand fest, wir wollen noch mehr von diesen doch ein wenig unterschiedlichen Nachbarländern sehen. Aber selbst diese eine weitere Reise würde sicherlich nicht ausreichen, um all das zu entdecken, was es in unseren Augen wert war, von uns entdeckt zu werden. So, wie man mit einer 4- oder 5-wöchigen Urlaubsreise in die USA oder nach Australien auch nicht alles Sehenswerte abdecken kann, verhält es sich auch in diesen beiden Ländern im Süden des südamerikanischen Kontinents. 


Wir überlegten, welche Region wir uns auf dieser Reise genauer anschauen wollten. In den großen Norden von Chile hatten wir bei unserer ersten Tour nur für ein paar Tage hineingeschnuppert. Wir konnten seinerzeit einfach nicht abschätzen, wie wir auf die Höhe reagieren würden, damals kannten wir auch niemanden, der in diesen beiden Ländern gereist war, um auf Erfahrungsberichte zurückzugreifen. Wir wussten nur, wir wollten mehr von dieser epischen Landschaft sehen. Am liebsten würden wir auf Inlandsflüge verzichten wollen und so reifte der Entschluss, eine Runde ab/bis Santiago de Chile zu fahren. 


Ich hatte einige wenige Bilder von der Route entlang der Anden auf argentinischer Seite gesehen, gefühlt alle deutsch- und mehrere englischsprachigen Reiseführer durchgearbeitet und so verfestigte sich immer mehr die angedachte Route. Wie so oft, waren selbst die geplanten vier Wochen viel zu kurz, um alles Sehenswerte in die Route zu packen, so haben wir schweren Herzens auf das eine oder andere verzichten müssen. Wir reisen gerne mit mehr Genuss, versuchen auch einmal etwas länger an einem Ort zu bleiben, nicht jeden Tag umzuziehen und legen mit zunehmendem Alter mehr Wert auf nette Unterkünfte. Sicherlich hätte man noch mehr in der Reisezeit unterbringen können, aber es entspricht nicht unserer Art des Reisens, so wie wir uns wohl fühlen.


Und genau die Auswahl der Unterkünfte stellte sich teilweise als Herausforderung dar. Den Mietwagen ab/bis Santiago de Chile mit Grenzübertritt nach Argentinien zu buchen, war kein Problem, auch nicht die Unterkünfte in den mittlerweile auf der touristischen Landkarte angekommenen Orte, wie San Pedro de Atacama. Jedoch die eine oder andere Unterkunft entlang der sonstigen Route zu finden, erforderte einiges an Recherche. Sollten die meisten dieser Orte nur wenige Jahre später einfach über Buchungsplattformen zu reservieren sein, war es jetzt größtenteils nicht möglich. Auch Spezialreiseveranstalter, bei denen ich anfragte, hatten meine geplante Route so nicht im Programm, das sollte sich aber ebenso bald ändern. Ich buchte einige wenige unserer Unterkünfte bei deutschen Reiseveranstaltern, einige direkt und die Mehrzahl der argentinischen Unterkünfte bei einer Dame in Buenos Aires, die in ihrem Portfolio Boutique Hotels in Argentinien im Programm hatte. Die Zahlung musste über Auslandsüberweisung getätigt werden, Kreditkartenzahlung war nicht möglich, sodass ich bis zum Einchecken in der ersten Unterkunft auf argentinischem Terrain während unserer Selbstfahrertour doch ein klein wenig gespannt war, ob alles klappen würde. 


Heraus kam eine Tour, die uns in den kleinen Norden Chiles und in die Gegend rund um San Pedro de Atacama zum Akklimatisieren für die bevorstehende Grenzüberquerung über den Paso de Jama nach Argentinien führen sollte. Von hier aus wollten wir dann wieder hauptsächlich südwärts mit Abstechern in die Farbenwelt der Region um Purmamarca und einem Stopp in der Stadt Salta fahren. Durch die Regionen Jujuy, Salta, Catamarca, La Rioja, San Juan und Mendoza vorbei am Aconcagua würden wir dann erneut die Grenze nach Chile queren. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis Santiago de Chile, wo wir den Mietwagen abgeben und uns noch drei Nächte in einem schönen Hotel in Valparaíso gönnen würden. Unsere Unterkünfte, die ich für die Reise wählte, reichten von einer Hacienda über Kuppelzelte hin zu Bauten im Adobestil. Eine Finca war ebenso vertreten wie Weingüter, ein schickes Boutiquehotel auf dem Cerro Alegre in Valparaíso und Zweckbauten in Orten, wo ich keine Alternative gefunden hatte. Unsere Route stand und wir waren sehr glücklich damit, auch wenn wir gerne noch mehr Zeit gehabt hätten. Insbesondere auf dem chilenischen Abschnitt zwischen dem kleinen Norden und dem großen Norden würden ein paar Sehenswürdigkeiten auf der Strecke bleiben und wir müssten zu Anfang längere Fahrtstrecken in Kauf nehmen.


Dann fragte uns ein befreundetes Paar, Angelika und Joachim, ob sie mitfahren könnten. Mit Angelika war ich bereits ein paar Jahre zuvor auf einer 3-wöchigen Gruppenreise in Peru unterwegs. Wir teilten uns sogar ein Doppelzimmer und das hatte sehr gut geklappt, sodass wir nicht lange überlegen mussten und zusagten. Allerdings stellten wir vorab zwei Bedingungen: Die erste und wichtigste war, wir fahren mit zwei Autos, keinesfalls mit einem Fahrzeug. Diesen Freiraum benötigten wir einfach. Zweitens würden wir an der von mir ausgearbeiteten Route und den Unterkünften keinerlei Änderung in unseren Plänen vornehmen. Beiden stellten wir selbstverständlich frei, eine eigene Auswahl zu treffen und abweichende Unterkünfte zu buchen. Für Angelika und Joachim stellten diese Punkte keinerlei Problem dar und so buchten wir unsere Reise. Diesmal teilten wir nicht nur zu zweit die Vorfreude, sondern zu viert. 


Tag 1 – Flug Frankfurt – Buenos Aires

Der längste Nonstop-Flug der Lufthansa ist tatsächlich sehr lang


Wir hatten gestern den Vorabend Check-in genutzt, sodass wir am Morgen nur mit einem Auto zum Flughafen gefahren werden müssen. Die Vorfreude im Vehikel auf die bevorstehende Reise ist riesig. Für meinen Mann ist es die dritte Reise auf den südamerikanischen Kontinent, für mich bereits die fünfte, für Angelika die zweite und nur Joachim wird das erste Mal seinen Fuß auf den Teilkontinent setzen. Ich bin überzeugt, auch er wird sich für diesen Teil auf unserem Planeten begeistern. 


Vor der Begeisterung steht jedoch die Anstrengung in Form eines Nonstop-Fluges der Lufthansa nach Buenos Aires. Die Flugzeit zum Ezeiza Flughafen beträgt fast 14 Stunden und da es sich um einen Tagesflug handelt, wird es voraussichtlich mit einer Mütze Schlaf schwierig werden. Zumindest haben wir uns durch die sehr frühe Buchung die hinteren beiden Zweierreihen sichern können. Wir starten in Frankfurt mit etwa 40 Minuten Verspätung (geplante Abflugszeit wäre 10:20 Uhr gewesen) und landen am frühen Abend gegen etwa 19:00 Uhr Ortszeit in Ezeiza. 


Einige Zeit vor unserer Reise erhielten wir von unserem Reisebüro die Information, dass sich der Flug der LAN von Buenos Aires nach Santiago de Chile zeitlich ändern würde. Man bat uns aber als Ausgleich an, die Übernachtung, die wir ohnehin in Buenos Aires eingeplant hatten, sowie die Transfers von und zu den Flughäfen zu übernehmen. Das war außerordentlich kulant und alles andere als selbstverständlich. Daraufhin stornierten wir kostenfrei unser bereits gebuchtes Hotel in Buenos Aires und nahmen das Angebot der LAN wahr. Die Fluggesellschaft buchte uns in das Amerian Park Hotel und genau dahin wollen wir jetzt gerne so schnell wie möglich. Der lange Flug in der Economy Class war doch recht anstrengend. 


Nachdem wir die Einreisekontrolle hinter uns gebracht und das Gepäck in Empfang genommen haben, steuern wir dem Ausgang entgegen. Leider ist weit und breit nichts von unserem Transfer zu sehen. Scherzhaft werde ich in unserer Kleingruppe als Reiseleitung bezeichnet und diese Reiseleitung geht nun zum LAN Schalter, wo man uns schnell und unbürokratisch einen Transfer zum Amerian Park Hotel organisiert. 


Mittlerweile ist es recht spät geworden und unser Flug wird morgen früh bereits um 06:30 Uhr die Stadt der guten Lüfte verlassen. Viel Schlaf werden wir wohl nicht bekommen. Das Zimmer im Hotel ist geräumig, sauber und die Betten bequem, mehr sehen wir aber nicht vom Hotel. Wir fallen todmüde ins Bett und hoffen, dass wir nicht verschlafen. 


Tag 2 – Flug Buenos Aires – Santiago de Chile – Fahrt ins Valle Hurtado

Mietwagenübernahme à la „No hay problema“


Wir verschlafen nicht. Der Wecker klingelt um 03:30 Uhr, nach mehr oder weniger gerade einmal 4 Stunden Schlaf. Unser Transfer fährt pünktlich vor, lädt vier ziemlich müde Touristen ein und fährt uns zum innerstädtischen Flughafen Aeroparque Jorge Newberry, der nach einem argentinischen Ingenieur und Luftfahrtpionier benannt ist. 


Normalerweise schaue ich nicht ständig aus dem Flugzeugfenster, aber der Abschnitt der Flugroute, der über die Andenkordillere führt, ist einfach spektakulär und begeistert mich jedes Mal aufs Neue. Für uns ist es auch nicht mehr überraschend, dass kurz zuvor jeglicher Service eingestellt wird, selbst die Flugbegleiter sich anschnallen müssen und eine Durchsage erfolgt, dass man keinesfalls aufstehen dürfe, da es beim Überflug von jetzt auf gleich zu schweren Turbulenzen kommen kann. Zum Glück bleiben wir heute davon verschont. 


Die Einreise nach Chile klappt wieder reibungslos und wir steuern auf den Schalter unseres Mietwagenverleihers zu. Wir hören zu unserer großen Freude, dass wir ein Upgrade erhalten. Wir hatten SUVs gebucht. Mein Mann und ich werden die folgenden Wochen mit einem Mitsubishi Sportwagon unterwegs sein. Angelika und Joachim erhalten einen Kia Sorrento. Im Vorfeld hatten wir beide darauf vorbereitet, dass sie keinesfalls von einer Fahrzeugqualität wie in den USA ausgehen dürfen. Wir hatten mit jedem der drei angemieteten Fahrzeuge auf unserer vorhergehenden Reise Probleme, bis hin zu einem Fahrzeugschlüssel, der während der Fahrt aus dem Schloss fiel. 


Also heißt es nun, Ansprüche runterschrauben und Wagen genau begutachten. Der Wagen unserer Freunde hält der eingehenden Begutachtung stand, aber unser Vehikel hat einen solch abgefahrenen Reifen, dass er bei jedem Formel 1 Rennen an den Start gehen könnte. Wir reklamieren. Zuerst hören wir natürlich „no hay problema“. Doch, für uns ist es ein Problem, wir wollen in Regionen fahren, wo es zu einem größeren Problem werden kann, zudem werden wir mit dem Wagen für 2 Wochen im Nachbarland unterwegs sein. 


Allerdings ist heute Sonntag und man bekäme keinen Ersatzreifen, so hören wir. Wir schauen uns den im Wagen vorhandenen Ersatzreifen an, der sieht deutlich besser aus und bitten darum, die beiden Reifen zu tauschen. Der Verleiher willigt ein, lässt uns aber wissen, dass er dafür in die Stadt fahren müsse. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir werden warten müssen. Zu allem Überfluss sagt man uns, dass wir – da wir doch mehrere Tausend Kilometer fahren werden – die Wagen zur Inspektion bringen müssen. Wir sind alles andere als begeistert, auch wenn wir Upgrades erhalten haben. Wir überlegen und ich mache dann den Vorschlag, da wir ohnehin in Calama vorbeifahren müssen, es bis dorthin mit der Kilometerleistung entsprechend passen würde, dass wir die Wagen abgeben, man uns Ersatzwagen mitgibt, die dann am nächsten Tag in unserer Unterkunft in San Pedro de Atacama wieder getauscht werden. Das ist ein Plan, auf den sich alle – der Verleiher und wir – einigen können. 


Ich bitte eindringlich darum, dass der Verleiher bitte alles entsprechend mit der Vermietstation in Calama organisieren möchte. Natürlich werden Sie das machen, „no hay problema“. Ich bin gespannt, ob alles klappen wird. Wir sind entspannt und es leider gewöhnt, dass es mit den Fahrzeugen und/oder -anmietungen hier in Chile bisher immer irgendwelche Probleme gab. 


Eigentlich hatte ich geplant, dass wir gegen 10:00 Uhr den Flughafen Richtung Norden verlassen würden, nun wird es doch 11:30 Uhr und vor uns liegt noch eine stolze Etappe von 500 Kilometern. Zum Glück herrscht am Sonntag rundum Santiago de Chile nicht viel Verkehr und die Panamericana wird zunehmend leerer, je weiter wir Richtung Norden fahren. In Ovalle müssen wir uns erst einmal orientieren bis wir die Straße ins Valle Hurtado finden. Die letzten etwa 60 Kilometer bestehen aus einer Erdpiste und sind recht eng. Die Landschaft wird jedoch zusehends schöner, an den Berghängen wachsen Kakteen und selbst der Mond lässt sich bereits blicken, obwohl es noch hell ist. 

Ziemlich müde erreichen wir gegen 19:30 Uhr die Hacienda Los Andes, eine Oase in dem abgeschiedenen Tal, das vom Massentourismus noch so gar nicht entdeckt wurde. Wir werden bereits von Tanja, der deutschsprachigen Managerin, mit der ich im Vorfeld sehr netten Kontakt hatte, sehnsüchtig erwartet. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen haben, essen wir gut zu Abend. Wir sind die einzigen Gäste, morgen werden wir die Autos stehen und es uns einfach gut gehen lassen in dieser herrlichen Umgebung. Wir sind nach einer langen und anstrengenden Anreise endlich angekommen. 


Tag 3 – Valle Hurtado

Erholung in einer Oase


Wir schlafen länger und frühstücken erst gegen 10:00 Uhr. Die Hacienda Los Andes ist eine Ruheoase. Unser Zimmer der Kategorie Suite ist zwar nicht luxuriös, aber wir fühlen uns hier pudelwohl. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran haben Tanja und der Koch, der hervorragendes Essen serviert. 

Um die Mittagszeit starten wir zum River Trail, der sich auf dem Gelände befindet. Die beiden Hunde der Hacienda, Lilli und Pitu, lassen es sich nicht nehmen, uns zu begleiten. Fast zwei Stunden sind wir in dieser schönen Landschaft unterwegs. Wir genießen diesen Spaziergang, ebenso wie später die Ruhezeit im Garten der Hacienda. 

Wir haben für die Übernachtung 59,- Euro pro Person inkl. Frühstück in der Suite gezahlt und finden dies absolut angemessen. Mein Mann und ich können uns sehr gut vorstellen, hierhin zurückzukehren, ein idealer Ort mit hohem Erholungsfaktor zum Einstieg in die Reise nach der langen Anreise. 


Tag 4 – Valle Hurtado – Valle del Elqui

Eine abenteuerliche Passstraße, eine Literatur-Nobelpreisträgerin und das Nationalgetränk Chiles


Der zweite Titel meines Reiseberichtes lautet „… Geschichten von Pisco, Torrontés, Quilmes und Submarino“. Es handelt sich hierbei allesamt um Getränke, die bei uns Zuhause nicht immer bekannt, aber typisch für Argentinien oder Chile sind. Der heutige Reisetag wird uns in die chilenische Anbauregion des Piscos führen.


Gegen 09:00 Uhr verlassen wir die Oase im Valle Hurtado, nicht ohne uns fest vorzunehmen, hierher eines Tages zurückkommen zu wollen. Dass wir das wenige Jahre später in die Tat umsetzen, es jedoch leider nicht so werden wird, wie wir uns das vorgestellt haben, wird Gegenstand eines anderen Berichtes werden. 


Wir wissen nicht, was die nun folgende 46 Kilometer lange Passstraße Antakari für uns bereit halten wird. Bei meiner Recherche las ich Adjektive wie herausfordernd, schwindelerregend, gefährlich und abenteuerlich sowie Beschreibungen von sehr engen, ungesicherten Passagen mit Abhängen, die steil in die Tiefe führen. Wir sind gespannt und auch voller Respekt, als wir uns in unsere Autos setzen und losfahren, nicht ohne uns zuvor herzlich von Tanja verabschiedet zu haben. 


Ein Hirte mit einer Ziegenherde wird auf der folgenden Strecke die einzige Begegnung bleiben. Wir benötigen mehr als drei Stunden für die 46 Kilometer bis Vicuña, empfinden die Strecke selbst aber als gar nicht so abenteuerlich wie befürchtet. Das mag zum einen auch daran liegen, dass wir uns auf alle möglichen Szenarien eingestellt hatten und zum anderen, dass wir in unserer Reisehistorie nicht das erste Mal eine solche Strecke fahren. Die Piste führt durch eine wunderschöne Vor-Anden-Landschaft, in einiger Entfernung können wir die Kuppeln des Observatorio Cerro Tololo erblicken, das sich in einer Höhe von 2.200 Metern befindet. Die Gegend im kleinen Norden Chiles ist bekannt für ihren klaren Blick in den Sternenhimmel, Lichtverschmutzung ist hier ein Fremdwort. Immer mal wieder halten wir an und erfreuen uns über blühende Kakteen.

Unweit vor Vicuña stoppen wir an einer Gedenkstätte zu Ehren von Difunta Correa. Wer durch Argentinien und Chile reist, wird immer wieder auf kleinere oder wie in diesem Fall auf größere Gedenkstätten zu Ehren der Difunta Correa sowie von Gauchito Gil treffen - und ausnahmslos auch auf Plastikflaschen. Dies ist keineswegs ein Müllentsorgungsprogramm, sondern eine Form der Ehrerbietung und soll zeigen, dass Wasser, ganz besonders in diesen extrem kargen Gebieten, ein, vielleicht sogar das kostbarste Gut ist. Ein wenig verwundert bin ich allerdings, hier die argentinische Flagge wehen zu sehen, gut, die Geschichte von Difunta Correa trug sich in Argentinien zu, trotzdem wundert es mich ein wenig. Am besten bringt es für mich die Aussage eines Chilenen zum Ausdruck, die ich einmal hörte: „Man sei froh, dass die Anden zwischen ihnen lägen“. Ich denke, beide Länder verbindet eine Art Hass-Liebe, die auch immer wieder mit entsprechenden Witzen garniert wird. 

Vicuña ist kein allzu großer Ort am Eingang des Valle del Elqui, einige wenige Tausend Menschen leben hier. Wir steuern den zentralen Platz an, wo wir in einem kleinen, typisch familiären Geschäft uns erst einmal mit Wasservorräten, Keksen und sonstigen Dingen eindecken, die wir als notwendig erachten für unsere Fahrt. Am zentralen Platz des Ortes befindet sich der rote, nicht zu übersehende Torre Bauer. Dieser Turm wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Ulm erbaut und kam dann anschließend nach Vicuña.

Wer sich im Zuge der Reisevorbereitung mit der Literatur Chiles beschäftigt, wird neben Isabel Allende auf zwei weitere Namen stoßen: Pablo Neruda und Gabriela Mistral. Beide wurden mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. 


Gabriela Mistral wurde in sehr einfachen Verhältnissen im Jahr 1889 in Vicuña geboren, schon früh unterrichtete sie in einer Schule. Dort, wo das Geburtshaus der großen chilenischen Dichterin steht, findet man heutzutage das moderne Museo Gabriela Mistral. Da ich mich auch immer gerne mit der Geschichte meines Reiselandes befasse, werden wir diesem Museum selbstredend einen Besuch abstatten. Wie so oft, ist auch hier alles nur in Spanisch beschrieben. Ich habe allergrößten Respekt davor, wie aus diesem Mädchen aus sehr bescheidenen Verhältnissen eine solch große Dichterin wurde, deren Leistung zudem noch mit dem Literatur-Nobelpreis gekrönt wurde. Gabriela Mistral starb im Jahr 1957 in New York.

Nach dem Besuch des Museums führt unsere Reise weiter nach Montegrande, um das Schulhaus zu besichtigen, indem Gabriela Mistral unterrichtete. Da dieses jedoch geschlossen hat, fahren wir direkt weiter und steuern unsere Unterkunft im Ort Pisco Elqui an. Das Valle del Elqui nimmt mich sofort gefangen mit seinen kargen, ockerfarbenen Berghängen, an denen die grünen Reben der Piscotraube wachsen, im Grunde genommen ist es eine Welt aus zwei Farben und darüber strahlt der wolkenlose blaue Himmel. Ich bin fasziniert von dieser Landschaft und frage mich, wie die Reben hier wachsen können. 

Leider haben wir für das schöne Tal nur eine Nacht einplanen können. Diese werden wir in den Elqui Domos verbringen. Diese Domos habe ich in der Reisevorbereitung ausfindig gemacht, sie scheinen recht neu errichtet worden zu sein und mir war sofort klar, hier müssen wir übernachten. Wir werden nicht enttäuscht, es ist kein Luxus, der uns erwartet, aber es gefällt uns sofort. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass man diese Art der Übernachtung einige Jahre später unter dem Begriff „Glamping“ führen wird. Als wir beim Check-in hören, dass abends noch eine Sternenbeobachtungstour angeboten wird, melden wir uns natürlich dazu an.

Fußläufig entfernt von unserem Domizil befindet sich eine, ich glaube sogar die älteste, Piscobrennerei des Tals, die Tres Erres (RRR). Diese Brennerei ist wesentlich kleiner und nicht so touristisch wie andere im Tal und so hatte ich bereits im Vorfeld diese für einen Besuch ins Auge gefasst. Auf einer Tour erklärt man uns den kompletten Prozess der Pisco-Herstellung. Leider wieder nur auf Spanisch. Das Meiste verstehe ich, muss mich jedoch sehr konzentrieren und recht schnell wird es mir einfach zu anstrengend, das Ganze auch noch zu übersetzen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass auch meine Mitreisenden die Tour interessant finden. 


Der Pisco Sour ist das Nationalgetränk Chiles, auch in Peru gilt der Pisco als Nationalgetränk und es ist noch nicht ausdiskutiert, wo der Pisco tatsächlich seinen Ursprung hat. Gewonnen wird der Schnaps aus besonders süßen Trauben, die in diesen kargen, von der Sonne verwöhnten Gegend ideale Bedingungen vorfinden. 

Am Abend nehmen wir noch an der hochinteressanten Sternenbeobachtungstour teil. Leider ist Joachim sehr stark erkältet und muss diese auslassen. Wir drei sind dann die einzigen Teilnehmer und so bleibt ausreichend Zeit, durch das Teleskop zu schauen und Fragen zu stellen.


Tag 5 - Valle del Elqui - Bahía Inglesa

Die Horrorfahrt


Vor uns liegen zwei lange Fahrtage. Diese habe ich bei der Planung bewusst in Kauf genommen, da zum einen die Einwegmiete ab Calama bis Santiago de Chile in einem vierstelligen Bereich lag, zum anderen mir die Qualität der Mietwagen in Santiago de Chile zuverlässiger erschien und nicht zuletzt konnten wir so noch das Valle Hurtado und das Valle del Elqui kennenlernen. 



Zwar wäre auch noch das eine oder andere Sehenswerte auf der Strecke bis Calama einen Besuch wert gewesen, aber unsere Urlaubszeit als Berufstätige ist nun einmal begrenzt und so entschied ich mich für diese Variante. Wenn wir dann die Etappe vom kleinen Norden in den großen Norden Chiles hinter uns gebracht hätten, würden wir merklich langsamer reisen und/oder zumindest entlang wunderschöner Routen fahren. 


Am Morgen zeigt sich uns das Valle del Elqui noch einmal in wunderschönem Licht. Für mich steht fest, hierher möchte ich sehr gerne noch einmal zurückkehren. Durch kleine aufgeräumte Dörfer fahren wir Richtung La Serena, wo wir uns durch dichten Verkehr auf die Panamericana kämpfen. Diese berühmte Straße ist hier bisweilen nur geringfügig breiter als manch heimische Bundesstraße. 

Einige Zeit, nachdem wir das Ballungszentrum von La Serena hinter uns gelassen haben und der Verkehr merklich nachgelassen hat, stehen wir plötzlich im Stau. Nichts geht mehr, auf der Gegenfahrbahn kommt uns kein Wagen entgegen. Wir warten eine ganze Weile. Der Fahrer des kleinen Transporters, der direkt vor uns in der Reihe steht, hat sich mit mehreren anderen Fahrern unterhalten. Ich entschließe mich, zu ihm zu gehen und zu fragen, ob er evtl. weiß, wie lange es noch dauern wird, bis es hier weitergeht. Er sagt mir, es hätte sich ein sehr schwerer Unfall mit einem Lkw ereignet und es sei nicht abzuschätzen, wann die Fahrbahn soweit frei wäre, dass man wieder passieren könne. Die Sperrung könnte durchaus noch Stunden, möglicherweise sogar noch länger, andauern. 


Außer der Panamericana führt laut Straßenkarte keine weitere asphaltierte Straße gen Norden. Ich frage ihn, ob es eine Möglichkeit gäbe, den Unfallort zu umfahren und er antwortet, dass es eine Route gäbe, die er jetzt wählen würde. Den ersten Teil könnten wir hinter ihm herfahren, dann müsse er jedoch abbiegen. Ich teile es meinen Mitreisenden mit und wir entscheiden, ihm zu folgen. Wir fahren ein kleines Stück zurück und biegen dann nach Westen auf eine nicht ausgeschilderte Piste ab, auf der wir zwar ein wenig durchgeschüttelt werden, aber die darüber hinaus keine großen Anforderungen an unsere Wagen stellt. Nach einiger Zeit passieren wir eine winzige Ansiedlung von Häusern, wo uns der Fahrer des Kleintransporters erklärt, welchem Streckenverlauf wir folgen sollen, bevor er sich winkend von uns verabschiedet. 


Bisher fuhren wir nur im Flachen mit Blick aufs Meer, jetzt aber liegt ein Höhenzug im Osten, auf dessen Plateau wir fahren müssen. Von unten können wir dieses nicht sehen, es liegt im Nebel. Es muss der Nebel sein, dessen Feuchtigkeit in vielen großflächigen Netzen an der Küste der Atacama gesammelt wird. So lebensrettend dieser ist, für uns wird er nun zu einem kleinen Albtraum. Noch wissen wir das aber nicht. 


Eine Vorahnung erhalten wir, als zwei chilenische Fahrzeuge uns entgegenkommen und auf unserer Höhe stoppen. Sie warnen uns eindringlich vor der Strecke, wir sollen sehr langsam und umsichtig fahren - und ganz wichtig - wir sollen durchgehend das „luz de emergencia“ anschalten. 


Zu Beginn sieht die Strecke gar nicht so schlimm aus, aber sie wird merklich enger, sodass bald zumeist nur noch Platz für ein Fahrzeug bleibt, während sie sich immer höher schraubt. Nirgendwo ist die Piste am Abhang gesichert, dieser führt steil in die Tiefe. Ich versuche es zu vermeiden, nach unten zu schauen, nicht immer gelingt es mir und wenn dann mein Blick ungehindert durch irgendwelche Sicherungen nach unten schweift, wird mir ganz anders. Richtig schlimm wird es, als wir in die Nebelwand fahren, oft können wir nur wenige Meter weit schauen, eine uneinsehbare Kurve folgt auf die nächste. Hier ist oftmals nur Platz für einen Wagen und auf der rechten Seite geht es mehrere Hundert Meter steil in die Tiefe. Vor jeder Kurve hupen wir, wir fahren vor, unsere Freunde hinter uns her. 


Irgendwann stellen wir fest, hinter unseren Freunden fährt ein weiteres Fahrzeug. Dieses hat es deutlich eiliger als wir und an einer breiteren Stelle lassen wir den Wagen passieren. Eine Weile können wir uns dran hängen, was zu einer kurzzeitigen Beruhigung führt, aber der chilenische Fahrstil macht sich dann doch bemerkbar und der Wagen verschwindet im grauen Schleier. Zum Glück kommen uns nur zwei Wagen entgegen und wir können rechtzeitig ausweichen. Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir das Plateau, die Straße wird breiter, der Nebel ist wie durch Zauberhand verschwunden und nach wenigen Kilometern erreichen wir wieder die Panamericana, die immer noch gesperrt ist. Wir haben den Stau jedoch umfahren, aber auf was für einer Piste. Dies war mit Abstand die schlimmste Straße, die wir bis dato gefahren sind. Selbst Jahre später werde ich mich an keine vergleichbare erinnern.


Es dauert ein wenig bis wir uns wieder beruhigt haben, während wir unsere Reise auf der Panamericana fortsetzen. Wir fahren viele Kilometer auf einem schnurgeraden Asphaltband, links und rechts ockerfarbene Steinwüste. Je weiter wir nördlich kommen, umso öfter führen Pisten mit Hinweisschildern zu Minen in der trockenen Steinwüste. Irgendwo hier, in der Gegend um Copiapo, muss auch eine Straße zu der Mine führen, in der 33 Bergarbeiter in 700 Metern Tiefe eingeschlossen waren und wenige Wochen vor unserem Abflug nach 69 Tagen durch eine Kapsel befreit wurden. Ich kann mich noch genau daran erinnern, als die Bilder der Rettung über den heimischen Bildschirm flimmerten. Die Rettung der 33 grenzt an ein Wunder und die ganze Geschichte wurde 5 Jahre später mit Antonio Banderas und Juliette Binoche verfilmt.


Es ist schon recht spät, als wir Bahía Inglesa erreichen. Der Stau und die Umgehung haben uns viel Zeit gekostet. Bahía Inglesa verfügt über einen der wenigen hellweißen Sandstrände Chiles und ist ein beliebter Urlaubsort der Chilenen im Sommer. Jetzt im Frühjahr ist in diesem kleinen Ort nicht viel los und unsere Unterkunft, die ohnehin nur als Zwischenübernachtung gedacht ist, aber die beste im Ort sein soll, lädt auch nicht unbedingt zu einem längeren Aufenthalt ein. In einem kleinen, etwas alternativ angehauchten Restaurant am Strand essen wir sehr lecker zu Abend und lassen noch einmal unser heutiges Abenteuer Revue passieren. Gerne hätten wir jedoch auf diese aufregende Erfahrung verzichtet. Nicht jedes Abenteuer verklärt sich mit der Zeit.


Tag 6 - Bahía Inglesa - San Pedro de Atacama

Ein langer Fahrtag wird belohnt: Lincancabur mit Vollmond


760 Kilometer liegen heute vor uns und damit leider nicht genug, wir müssen zusätzlich einen Stopp bei der Mietwagenstation in Calama einlegen. Die Fahrt auf einem nicht enden wollenden Asphaltband durch Steinwüste zieht sich, aber wir kommen gut voran. Der Verkehr hält sich in Grenzen. Nach mehreren Stunden Fahrt erscheinen am Straßenrand die ersten Reste von ehemaligen Oficinas, von Salpeterminen. Viel mehr als Mauerreste gibt es aber nicht zu sehen. 

Ganz anders als bei unserer ersten Reise einige Jahre zuvor in diese trockenste Wüste der Erde, als wir Chacabuco besichtigten. Dort sind noch einige Bauwerke - wie das Theater - erhalten; aber auch viele Gebäude, die zur Pinochet-Ära dazu dienten, unliebsame politische Gegner gefangen zu halten. Mein Mann und ich wurden damals von einem älteren Herrn durch ein Gittertor auf das extrem weitläufige Gelände gelassen, wo wir uns anschließend ausgiebig umschauten. Wir waren mutterseelenallein und über allem lag eine unheimliche, aber zugleich auch faszinierende Atmosphäre. Da uns diese Lost-Places nicht loslassen sollten, würden wir einige Jahre später die beiden absolut sehenswerten und zum Unesco Welterbe erklärten Oficinas Salitreras Santiago Humberstone & Santa Laura unweit der Stadt Iquique besichtigen.


Kurze Abwechslung bringt ein vorbeifahrender Zug und der obligatorische Stopp an der Mano del Desierto. Etwa 1 Fahrstunde südlich von Antofagasta hat der chilenische Künstler Mario Irarrázabal im Nirgendwo der Atacama eine 12 Meter hohe Skulptur in Form einer Hand in den Wüstenboden gesetzt. Manche Aufnahmen zeigen die Hand fein gesäubert von Graffitis, andere wiederum farbenfroh besprüht, so wie bei unserem Stopp. 

Irgendwann erreichen wir Calama. Nach nicht allzu langer Suche finden wir die Station unseres Mietwagenverleihers. Ich steuere erst einmal die Toilette an. Als ich zurückkomme, höre ich nur, dass der Rest unserer kleinen Reisegruppe sich gerade darauf verständigt, dass ich das Problem schon lösen würde. Oha, ein Problem mit den Wagen, so etwas hatte ich schon befürchtet. Ich höre, dass unsere Wagen einen Tag hier bleiben müssten, man aber keine Ersatzfahrzeuge für uns hätte, da man gar nicht wusste, dass wir die Fahrzeuge vorbei bringen würden. Zum Glück spricht einer der Mitarbeiter einigermaßen Englisch, was absolut nicht selbstverständlich ist. Ich rede mich dermaßen in Rage und diskutiere, aber keine Chance, man hätte kein Fahrzeug für uns, so lautet immer wieder die Antwort. 


Also gut, ich weiß, warum ich Mietwagen in Südamerika immer über einen Veranstalter buche, bei der Agentur rufe ich nun an und schildere das Problem. Dann reiche ich den Hörer weiter, denn ich denke, eine Agentur, die Aufträge in größerem Rahmen platzieren kann, hat ausreichend Einfluss und siehe da, wir erhalten zumindest bis zum Folgetag einen Wagen. Damit können wir leben und handeln noch raus, dass uns am Abend des Folgetages unsere Fahrzeuge zu unserer Unterkunft in das mehr als eine Fahrstunde entfernte San Pedro de Atacama gebracht werden; eigentlich ein Punkt, den wir bereits in Santiago de Chile vereinbart hatten. Ein wenig unwohl ist mir zwar, ob das alles klappt, aber das ist nun einmal Südamerika und nur gut, dass wir die nächsten vier Nächte in diesem liebenswerten Wüstenkaff gebucht haben.


Wir laden unser Gepäck auf die Ladefläche des Pickups und nehmen das letzte Stück unserer heutigen langen Tagesetappe in Angriff. Die Anfahrt auf San Pedro de Atacama im schwindenden Tageslicht ist wunderschön und ich bin hellauf begeistert, den Lincancabur mit Vollmond erblicken zu können. 

Es ist 19:30 Uhr und wir fahren in unserer Unterkunft, dem Altiplanico, vor. Das Altiplanico liegt etwas außerhalb, bietet aber einige wenige Parkplätze, nicht selbstverständlich in diesem Ort. Die Zimmer im Adobestil sind in Form eines Dorfes angeordnet. Wir werden sehr freundlich begrüßt, hier gefällt es uns auf Anhieb. Noch weiß ich nicht, dass wir in ein paar Jahren hierher zurückkehren werden.


Wir haben nun die lange Fahrtstrecke vom kleinen Norden in den großen Norden Chiles bewältigt, ab morgen werden die Tage mit viel Sehenswertem gefüllt werden. Wir sind voller Vorfreude.


Tag 7 - San Pedro de Atacama

Ein Tag, ganz im Zeichen der Höhenanpassung


San Pedro de Atacama liegt auf etwa 2.400 Metern Höhe in einer grandiosen Landschaft, gerne nutze ich zur Beschreibung dieser auch immer wieder das Adjektiv episch. Darüber hinaus hat San Pedro de Atacama mit seiner touristischen Infrastruktur noch einen weiteren unschlagbaren Vorteil, er ist geradezu ideal, um sich hier langsam an die Höhe anzupassen – und genau das habe ich für den heutigen Tag in meiner Reiseroute eingeplant, bevor wir in den darauffolgenden Tagen längere Etappen auf bis zu 4.800 Metern zurücklegen werden. 

 

Die Atacama ist direkt nach der Antarktis die trockenste Region auf unserem Planeten. Genau diesen Aspekt merken wir nun wieder, unsere Schleimhäute mögen diese extreme Trockenheit, gepaart mit dem allgegenwärtigen Staub, gar nicht. Wir sind aber nicht einzigen, überall hustet und schnieft es. Zum Glück haben wir aber diesmal vorgesorgt und Mittelchen ins Gepäck gelegt, um unsere Schleimhäute zu befeuchten, auch unsere Freunde haben wir vorgewarnt. 

 

Die Gegend rundum San Pedro de Atacama bietet genug Sehenswertes, um gut 2 Tage hier zu verbringen, ohne viel an Höhenmetern erklimmen zu müssen. Bei unserem ersten Aufenthalt hatten wir zwar auch einen Mietwagen, haben uns aber bei zwei Touren, die locker die 4.000 Meter Höhenmarke überschritten, für die organisierte Variante entschieden, da wir nicht abschätzen konnten, wie unsere Körper auf die für uns so ungewohnte Höhe reagieren würden. 

 

Seinerzeit besuchten wir bereits in dieser Höhenlage das Valle de la Luna, das Valle de la Muerte, das Valle de Jerez bei Toconao, die Gegend um Chiu Chiu, die Pukará de Laksana, die Pukará de Quitor, Chacabuco sowie die ein wenig höher gelegene sehenswerte Kupfermine Chuquicamata, auf all diese Ziele werden wir diesmal jedoch verzichten. Unseren Freunden legen wir für die folgenden Tage die Géiseres del Tatio an Herz. Dieses Geysirfeld liegt auf mehr als 4.300 Metern Höhe und fast ausnahmslos wird davon abgeraten, dorthin selbst im Dunkeln zu fahren, sondern sich einer Tour anzuschließen. Darauf wollen dann aber beide verzichten und lieber unserem Programm folgen. Auch wir lassen diesmal die Geysire aus, wir hatten sie seinerzeit ebenfalls bei einer sehr schönen Tour kennenlernen dürfen, aber eine Wiederholung ist nicht ausgeschlossen.

 

Am Morgen fahren wir entlang einer Schlucht, die sich hinter der Pukará de Quitor entlang des Wasserlaufs des Rio San Pedro mit grünem Ufersaum schlängelt. Ein paar Mal müssen wir durch das Wasserbett fahren und sind froh über den Pickup, den wir erhalten haben. Mit unseren angemieteten Fahrzeugen, die derzeit noch in Calama stehen, hätte dies aber auch kein Problem dargestellt. Nach mehreren Kilometern haben wir Catarpe erreicht. Vor mehreren hundert Jahren befand sich hier ein Zentrum der Inkas, davon sind heute jedoch nur noch wenige Reste erhalten, ganz anders als bei den beiden Pukarás de Quitor und de Laksana. Aber allein die Fahrt hierher hat gelohnt, außer uns begegnen wir keiner weiteren Menschenseele. Auf der Rückfahrt entdecken wir einen Abzweig auf einer Piste, die uns ein wenig in die Höhe führt und einen schönen Blick auf den Lincancabur, an dem ich mich nicht satt sehen kann, bietet. Der Lincancabur mit seinen 5.916 Metern Höhe ist für mich ein Bilderbuchvulkan mit seinem nahezu perfekten Kegel. 

Zurück in San Pedro de Atacama decken wir uns in einem typischen Geschäft mit Lehmwänden, das eher an einen dunklen kleinen Kellerraum erinnert, mit ausreichend Wasservorräten für die nächsten Tage ein. Wir laufen durch den Ort, in dem der Tourismus bereits schon etwas mehr als noch vor ein paar Jahren Einzug gehalten hat, aber zum Glück bisher vom Massentourismus verschont blieb.

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Im Ortszentrum steht die wunderschöne Altiplanokirche, erbaut im Jahr 1744, deren Adobefassade weiß gestrichen ist. Wie auf dem Altiplano zumeist üblich, ist der Glockenturm nicht integriert, sondern steht direkt daneben. Die Decke im Kircheninnern besteht aus Kaktusholz, das mit Lederriemen aus Alpakahaut zusammengehalten wird, genauso wie in der Kirche von Chiu Chiu, wo seinerzeit eine Nonne meinem Mann und mir die Konstruktion erklärte. An diese Begegnung denke ich sehr gerne zurück.

Wir empfehlen unseren Freunden den Besuch des Museo Arqueológico Padre Gustavo Le Paige. Dieses hervorragende Museum geht auf einen belgischen Priester zurück, der von 1955 bis zu seinem Tod im Jahre 1980 hier lebte und die unzähligen Exponate zusammentrug. Bis vor wenigen Jahren konnte man zwei Mumien sehen, diese sind aber auf Bestreben der Atacameños nun nicht mehr öffentlich zugänglich. Angelika und Joachim besuchen das Museum, während wir noch ein wenig durch den Ort schlendern. 

 

Am Nachmittag beschließen wir, Neuland zu erkunden und fahren zur Laguna Cejar. Zum Glück sind wir früh oder spät genug hier, wir sind fast alleine und können diese unglaublich Stille an diesem wunderbaren Ort genießen, natürlich wieder mit Blick auf den hier in der Gegend allgegenwärtigen Lincancabur. 

Gegen 19:30 Uhr fahren dann tatsächlich unsere beiden Wagen im Altiplanico vor. Beide wurden gewartet, Ölwechsel inbegriffen, jetzt steht unserem Grenzübertritt nach Argentinien nichts mehr im Wege. Morgen geht es allerdings erst noch ins Hochland zu den Lagunas Miscanti y Miñiques.


Tag 8 - San Pedro de Atacama

Autos mit Soroche, tiefblaue Lagunen und Flamingos


Da sich Angelika am Morgen nicht wohl fühlt, entscheidet sie, auf die heutige Tour zu den Hochlandlagunen zu verzichten. Wir haben die Piste zu den Lagunas Miscanti y Miñiques als ziemlich herausfordernd und einsam in Erinnerung, daher beschließen wir, mit zwei Wagen zu fahren. Gleich zu Anfang unserer Tour haben wir am Straßenrand Zuschauer, von denen ein Teil die Flucht vorzieht, während der andere neugierig zu uns herüber schaut.

Nie werde ich unseren ersten Besuch an den Lagunas Miscanti y Miñiques vergessen, damals oben auf dem Kamm angekommen, links und rechts am Wegesrand Büßerschneeformationen, fiel unser Blick in diese spektakuläre Landschaft. Damals hatten wir eine Tour gebucht, da wir uns das erste Mal in dieser Höhe aufhielten und einen gewissen Respekt hatten. Mit unserer kleinen Gruppe von 6 Personen und Guide waren wir dort oben stundenlang alleine unterwegs.


Aufnahme Büßerschneeformation unserer ersten Reise zu den Lagunen (Diascan):

Die Straße windet sich langsam, aber stetig in die Höhe und wir erreichen Socaire, das bereits auf einer Höhe von 3.250 Metern liegt. Wir halten wir für den obligatorischen Fotostopp, um die Kirche abzulichten. 

Direkt hinter Socaire endet das Asphaltband und die Piste schraubt sich mehr und mehr in die Höhe, aber noch ist sie recht breit und lässt sich gut befahren. Wir biegen auf die 7 km lange Abzweigung zu den Lagunen ein, die Piste wird merklich enger und windet sich in kurzer Zeit Höhenmeter um Höhenmeter nach oben. 


Beide Wagen müssen der Höhe Tribut zollen. Oben am Rangerhäuschen angekommen, halten wir an. Wir schauen uns um und können Joachim sehen, wie er sich – wie er uns später erzählt – mit sagenhaften 6 km/h die letzten Meter die Piste hoch kämpft. Ob dieser skurrilen Situation müssen wir alle lachen. Scheinbar hat nun auch unser Vehikel mit Soroche zu kämpfen, denn das Kühlwasser unseres Motors kocht über. Die Rangerin kommt aus ihrem Häuschen und will uns gleich zu Hilfe eilen. Joachim meint, dass wir am besten den Motor wieder starten, was mein Mann dann sofort in die Tat umsetzt. Das behebt sofort die Symptome und wir hoffen, dass dies nur eine kurze Episode war. Auf eine Panne in dieser einsamen Gegend haben wir so gar keine Lust. 


Die Lagunen schimmern immer noch im Tiefblau vor beeindruckender Kulisse, genauso wie ich es in Erinnerung habe, nur dass heute die Büßerschneeformationen fehlen. Beide Lagunen liegen auf einer Höhe von etwa 4.300 Metern zu Füßen ihrer namensgleichen Vulkane, des Miñiques (5.910 Meter) und des Miscanti (5.678 Meter). Sie sind recht groß und alles ist extrem weitläufig, ein Fakt, der bei Fotoaufnahmen oftmals nicht zur Geltung kommt. Die kleinere der beiden Lagunen, die Laguna Miñiques, ist fast kreisrund.

Nach einer ausgiebigen Besichtigung fahren wir zurück in tiefer gelegene Regionen und biegen in die Zufahrtsstraße zur Laguna de Chaxa ein. Diese Lagune liegt in etwa auf der Höhe von San Pedro de Atacama. Es ist eine Welt aus Salz und Wasser, in der man mit Glück alle drei in Chile heimischen Flamingoarten sehen kann, den Chile-Flamingo, den James-Flamingo und den Anden-Flamingo. Auch wenn wir die Laguna de Chaxa bereits von unserem ersten Besuch kennen, hat auch sie nichts von ihrer Faszination auf uns eingebüßt. 

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Die anschließende Rückfahrt unterbrechen wir für einen kurzen Stopp am Friedhof von Toconao sowie in der Nähe der Quebrada de Jerez. 


Tag 9 - San Pedro de Atacama

Tag der Entspannung


Wir haben heute keine Lust auf eine weitere Tour. Morgen liegt wieder eine längere Etappe vor uns und so entscheiden wir uns, die schöne Atmosphäre im Hotel zu genießen, zu lesen und Tagebucheinträge zu vervollständigen. Mein Mann und ich fahren später noch einmal nach Downtown San Pedro de Atacama und laufen durch den Ort. Ich kaufe mir eine Silberkette mit einem Lama-Anhänger aus Lapislazuli. Joachim und Angelika fahren währenddessen zur Laguna de Chaxa, damit Angelika zumindest diesen schönen Ort, den wir am Vortag besichtigt haben, sehen kann. Am Nachmittag werden die Wagen vollgetankt, wir sind gerüstet für unsere morgige Fahrt über den Paso de Jama nach Purmamarca, Argentinien.


Tag 10 - San Pedro de Atacama – Purmamarca

Länderwechsel im Höhenrausch


460 Kilometer und ein Grenzübertritt mit einer der wohl am höchstgelegenen dauerhaft besetzten Grenzstation auf 4.200 Metern liegen vor uns.


Um 07:45 Uhr verlassen wir das Altiplanico und erreichen bereits wenige Minuten später unser erstes Ziel, die chilenische Grenzstation. Die Grenze hat Öffnungszeiten. Wer über den Paso de Jama nach Argentinien reisen will, fährt zwar noch 160 Kilometer bis zur Grenze, muss aber in San Pedro de Atacama die Grenzformalitäten für Chile abwickeln. Kurz nach 08:00 Uhr öffnen die chilenischen Grenzer ihr Büro. Unsere und die für die Fahrzeuge relevanten Papiere werden – wie wir das bisher aus Chile kennen – auf Herz und Nieren geprüft, selbstredend erfolgt die komplette Abwicklung nur in Spanisch. Um einen Durchschlag der Fahrzeugpapiere ärmer, jedoch mit einem Stempel im Pass reicher, sind wir 50 Minuten später abgefertigt und werden Chile für die nächsten 2 Wochen verlassen. Mein Mann und ich freuen uns auf das Wiedersehen mit Argentinien, das Land, das viele berühmte Persönlichkeiten, wie Evita Péron, Maradona, Ernesto "Che" Guevara, Juan Manuel Fangio oder auch Carlos Gardel hervorbrachte. 


Haben wir bereits schon das südliche Patagonien, die Tierwelt auf sowie rund um die Halbinsel Valdés, das argentinische Seengebiet, die Cataratas del Iguazú und auch Buenos Aires kennengelernt, so sind nun die vor uns liegenden Provinzen Jujuy, Salta, Tucumán, Catamarca, La Rioja, San Juan und Mendoza absolutes Neuland für uns.


Keine 50 Kilometer entfernt von San Pedro de Atacama erreichen wir bereits eine Höhe von 4.000 Metern. Die Strecke führt dicht am Lincancabur vorbei, von hier ist es quasi ein Katzensprung bis Bolivien. Weiter oben auf dem Plateau ragt dann nur noch die Kegelspitze des Lincancaburs ins Blickfeld. Unser Auto leidet glücklicherweise nicht mehr unter Soroche, das führen wir darauf zurück, dass wir auf der heutigen Strecke zügiger fahren können und aufgrund dessen der Motor besser gekühlt wird.

Die Strecke, die wir nun fahren, ist einfach nur unglaublich, eine Landschaft, die ich nicht in Worte fassen kann, man muss sie gesehen haben. Die Route führt entlang von Salzseen, in denen sich Flamingos ein Stelldichein geben, von oben strahlt der Himmel zeitweilig in einem solch intensiven Blau, dass ich diese Farbe nur auf die Höhe zurückführen kann. Ein Häuschen mit Kreuz am Straßenrand ermöglicht mir eine Aufnahme, die in meinen Augen so stellvertretend für diese Landschaft steht - eine unglaubliche, kaum in Worte zu fassende Schönheit, gleichzeitig aber auch eine Kargheit und menschenfeindliche Extreme. 

Immer wieder halten wir an und ich denke mehr als einmal, diese Strecke muss man bei Tageslicht selbst fahren, um jederzeit entscheiden zu können, wann und wo man anhalten möchte. Ich glaube, nur so wird diese Faszination, die uns alle vier in ihren Bann zieht, wirklich greifbar. Auch Bilder können nur einen ungefähren Eindruck wiedergeben. Wir sind hellauf begeistert. 

Nach einiger Zeit des Fahrens auf der Hochebene erreichen wir den argentinischen Grenzposten. Ich las im Vorfeld, dass die Abwicklung hier dauern könnte.

Es ist sehr kalt und sehr windig, als wir aussteigen. Wir stellen uns in die Schlange. Außer uns erblicke ich keine weiteren Touristen. Viele der hier Wartenden sind einheimische Busreisende. Insgesamt ist alles etwas chaotischer im Vergleich zur chilenischen Seite und ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir uns richtig eingeordnet haben.


Dann kommt einer der argentinischen Grenzer auf uns zu und sagt uns, dass wir mit ihm in ein kleines Häuschen nebenan gehen könnten, hier könne man unsere Einreise abwickeln. So bringen wir die Einreiseformalitäten in Argentinien deutlich schneller als die Ausreiseformalitäten in Chile am Morgen hinter uns. Wir werden äußerst freundlich behandelt und ich habe Mitleid mit den Menschen, die hier oben in dieser zwar wunderschönen, jedoch sehr lebensfeindlichen Umgebung ihren Dienst verrichten und währenddessen auch hier leben müssen. 



Wir setzen nun unsere Reise durch die Puna fort. Die Hochebene des Altiplanos wird in Argentinien Puna genannt, aber egal, welchen Namen sie trägt, für mich gehört sie zu einer der schönsten, vielleicht die schönste Landschaft, die ich bisher gesehen habe … und diese Aussage wird sich für mich in den folgenden Jahren, nach weiteren Reisen, nur bestätigen. 

Im Ort Susques drehen wir kleine Runde für ein Foto der Kirche, ebenso halten wir an den Salinas Grandes, einer der großen Salzseen auf der Hochebene. Während die Salinas Grandes auf nur noch auf 3.500 Metern Höhe liegen, schraubt sich die Straße im folgenden Verlauf ein weiteres Mal auf über 4.000 Meter auf die Abra de Potrerillos, um dann in abenteuerlichen Serpentinen in der Cuesta de Lipán auf einer Distanz von nur 45 km etwa 2.000 Höhenmeter zu überwinden. Diese Seite der Anden, auch wenn nur geringfügig niedriger gelegen als unser Startpunkt am Morgen, weist ein milderes Klima auf. Unsere Schleimhäute danken es, wir können wieder durchatmen.

Gegen 17:00 Uhr erreichen wir Purmamarca, ein Ort, der von vielfarbigen Felsen umgeben ist. Wir beziehen für die nächsten 3 Nächte unsere nebeneinander liegenden Cabañas im La Comarca.

Die heutige Fahrtstrecke war eine einzige Panoramatour, in der eine grandiose Szenerie auf die nächste folgte. Kein einziger Kilometer war langweilig. 



„Wer die Abenteuerlichkeit des Reisens ins Blut bekommt, wird diese nicht wieder los.“   - Bruno H. Bürgel

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