Arg. Chile Teil 4 - Villa Unión bis Reiseende


Argentinien und Chile

Atem(be)raubende Landschaften, ein Auto mit Soroche und Geschichten von Pisco, Torrontés, Quilmes und Submarino

- Teil 4 von Villa Unión bis Reiseende -



Tag 22 - Villa Unión - Barreal

Wolken in geometrischen Formen, Wolken mit Schweif, Wolkengebilde, wie noch nie zuvor gesehen


Die letzte Woche unserer Reise bricht an. Ganze drei Wochen voller wunderbarer Eindrücke - und auch einiger Probleme mit unseren fahrbaren Untersätzen - liegen mittlerweile hinter uns. Übermorgen werden wir bereits zurück in Chile sein, so denken wir zumindest.


Doch zuvor müssen wir heute knapp 400 Kilometer und 6 Stunden Fahrtzeit bewältigen, um unser nächstes Ziel, den Ort Barreal, zu erreichen. Wir freuen uns, das mit ganz großem Abstand schlechteste Frühstück der Reise hinter uns lassen zu können.


Die Fahrt führt uns über Asphalt entlang weniger Aussichtspunkte. Irgendwann nähern wir uns der Andenkordillere, aus der sich in nicht weiter Entfernung der Aconcagua als höchster Berg des amerikanischen Doppelkontinents erheben muss. Dieser ist allerdings von hier aus nicht zu sehen. Den Blick auf diesen Giganten zu werfen, erhoffen wir uns für den morgigen Tag. Was wir allerdings sehen, ist das wunderschöne Tal von Calingasta, das von Flussläufen durchzogen ist. Im Hintergrund lassen sich vereinzelt verschneite Gipfel der Andenkordillere blicken und all das bei T-Shirt-Wetter mit strahlend blauem Himmel, garniert mit dem einen oder anderen kleinen Wölkchen in geometrischer Form. Auch Gauchos nutzen zuweilen die Straße entlang des Valle de Calingasta. 

Kurz vor Barreal folgen wir einem kleinen Hinweisschild mit dem Aufdruck „El Alcázar“ und biegen auf eine Piste. Im Reiseführer findet der Ort nur eine kurze Erwähnung in Form eines einzigen Satzes. Wir werden uns überraschen lassen, was uns am Ende der Piste erwartet. Der kurze Abstecher hat gelohnt, da sind wir uns sofort einig, als wir am Ende angelangt sind. Hier geht es mit den Fahrzeugen nicht mehr weiter. Vor uns liegen wieder imposante Gebilde. Wir steigen ein wenig nach oben und können in der Ferne mit Puderzucker überzogene Gipfel sehen. 

Nach diesem kleinen, unerwarteten Highlight ist es nicht mehr weit bis zu unserer Posada La Querencia. Da es in der Posada nur Frühstück gibt, wir aber sehr hungrig sind, müssen wir noch einmal los. Eigentlich ist es zum Mittagessen zu spät, zum Abendessen jedoch zu früh. So telefoniert die freundliche Besitzerin und findet eine Location, die geöffnet hat. Wir fahren zu Doña Pipa. Ein Restaurant, das ebenfalls wunderschön liegt. Als einzige Gäste speisen wir ausgezeichnet und gesättigt verbringen wir den Rest des Tages im Garten unserer Posada. 

Die Posada La Querencia liegt etwas außerhalb von Barreal, hat gerade einmal sechs Zimmer und ist urgemütlich. Auf unserer Terrasse stehen Liegen bereit, hier kann man es durchaus länger aushalten. 


Bereits während der heutigen Fahrt begleiteten uns immer wieder Wolken in Form eines Rechtecks; dann am Nachmittag bildet sich am Himmel über unserer Posada eine Wolke mit Schweif. Ich kann mich nicht erinnern, solche Wolkenformen zuvor schon einmal gesehen zu haben, ich bin fasziniert.


Tag 23 – Barreal – Uspallata

Führung exklusiv und platt, platter, am plattesten


Am Morgen können wir uns kaum losreißen von dem Blick auf die Ausläufer der Andenkordillere. Die Wolkenformationen, die sich gestern angekündigt hatten, geben jetzt alles - Wölkchen in Schichten und Wolken mit Heiligenschein, es ist unglaublich und es herrscht eine ganz eigenwillige Atmosphäre. Meteorologen haben sicherlich exakte Bezeichnungen für diese weißen Gebilde aus Aerosol, möglicherweise wissen diese Spezialisten auch, dass dieses faszinierende Himmelsschauspiel nur der Auftakt zu einem anderen Ereignis ist. Da sich in unserer Reisegruppe kein Herr Kachelmann befindet, sind wir unwissend, staunen und erfreuen uns an diesem Naturphänomen. 

Irgendwann müssen wir uns dann doch losreißen, Hunger treibt uns zum Frühstück und das ist in dieser kleinen Posada genial. Wir bedauern, dass wir nur eine Nacht hier verbringen, es passt einfach alles, die Unterkunft, die Zimmer, das Frühstück und die Freundlichkeit. 


Aber das alles hilft nichts, die Reisenden müssen weiter. Wir wollen in einen weiteren Nationalpark des Landes. Dieser ist wahrscheinlich noch weniger bekannt als der Talampaya oder der Ischigualasto, unser erstes Ziel heißt: Parque Nacional El Leoncito. In diesem nicht sonderlich großen Park stehen gleich zwei Observatorien. Wir fahren zum Observatorium Felix Aguilar. Der Weg führt uns durch eine bezaubernde Allee und dann stehen wir auch schon vor dem Observatorium auf über 2.500 Metern Höhe. Obwohl heute Sonntag ist und es der ideale Ausflugstag für die Einheimischen wäre, sind wir ein weiteres Mal ganz alleine. Wir melden uns an, man sagt uns, dass Führungen nur auf Spanisch angeboten würden. Als man unsere länger werdenden Gesichter sieht und feststellt, dass wir mit Englisch wesentlich besser bedient wären, holt man einen Astronomen, der normalerweise keine Führungen durchführt. So erhalten wir eine ganz besondere Führung auf Englisch, seine Erklärungen sind auch für Nicht-Wissenschaftler leicht verständlich und sehr informativ. Diese exklusive, hochinteressante Führung dauert eine Stunde und entgegen der sonstigen Führungen bewegt er für uns sogar das Teleskop. Dieser Besuch war ein Glücksfall.


Wir fahren zum zweiten Observatorium, das wir nur von außen fotografieren, bevor wir einen Wasserfall im Park ansteuern. Das ist genau der richtige Platz, um unsere Sandwiches, die wir in der Posada erhalten haben, zu verspeisen.

Am Barreal Blanco entlang, der ebenfalls zum Nationalpark gehört und auf dem man manchmal Wind-Cart-Segler erspähen kann, führt uns unsere Reise südwärts. Die nächsten 100 Kilometer sind in einem erbärmlichen Zustand. Wir sind heilfroh und nicht minder eingestaubt, als wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich kurz vor Uspallata Asphalt unter den Rädern haben. 

Hier befinden sich die Las Bóvedas, die wir für einen kurzen Fotostopp ansteuern. Im Grunde genommen interessiere nur ich mich für das Gebäude. So mache ich einige Fotos von außen und schlüpfe auch kurz einmal ins Innere, während mein Mann und unsere Freunde draußen warten. Der Name Las Bóvedas bedeutet übersetzt so viel wie das Gewölbe. In diesen Gewölben haben Jesuiten Edelmetalle verarbeitet. Hätte ich nur Bilder von diesem Bauwerk gesehen, ohne zu wissen, dass es in Südamerika steht, ich hätte dieses auf einen anderen Kontinent verortet.

Etwas ungeduldig warten die drei bereits auf mich und gerade als wir losfahren wollen, hören wir von Joachim den Satz „Wir haben einen Platten!“. Wir schauen uns das Elend an und nach kurzer Begutachtung lautet das einhellige Fazit „platter geht es nicht“. Die katastrophale Strecke, die wir kurz zuvor gefahren sind, hat ihren Tribut gefordert, aber ruck-zuck hat Joachim den Reifen gewechselt, das Kompliziertes ist tatsächlich das Loslösen des Ersatzrades. 

Zum Glück ist es dann nicht mehr weit bis zu unserer Unterkunft in Uspallata, dem Gran Hotel. Die beste Unterkunft des Ortes strahlt auf mich den Charme einer Bahnhofshalle aus. Am späten Nachmittag wird es plötzlich eiskalt, den ganzen Tag haben wir in T-Shirt verbracht, jetzt müssen wir eine dicke Jacke tragen. Hätten wir gewusst, was folgt, wären wir noch an diesem Abend über die Grenze nach Chile gefahren.


Tag 24 – Uspallata – geplant Valparaíso – Los Penitentes

Wenn die beste Planung nichts nutzt …


Puh, ist das kalt geworden über Nacht. Aber egal, wir freuen uns auf die nächsten drei Nächte, die wir in einem wunderschönen Boutique Hotel auf dem Cerro Alegre in Valparaíso gebucht haben. Aber es sollte so ganz anders kommen. 


Um kurz vor Neun fahren wir los, kommen aber nicht weit. Genau genommen bis zu einer Straßensperre und einem riesigen Parkplatz, auf dem gefühlt mehrere Hundert Lkws stehen. Wir sind ratlos. Daher gehe ich zu einem der Lkw-Fahrer und frage, was los ist. Er sagt mir, dass der Pass und damit die Grenze am Cristo Redentor geschlossen sei. Er weiß auch nicht, wie lange, nur dass es über Nacht einen Wintereinbruch gegeben hat und es auf chilenischer Seite einen Erdrutsch und Schneestürme gegeben habe. Dem trüben Wetter hatte ich bisher keine große Bedeutung beigemessen, aber beim Blick nach oben stelle ich fest, dass jetzt Gipfel in weiß gehüllt sind, die es gestern noch nicht waren und gleichzeitig erinnere ich mich an die imposanten und ungewöhnlichen Wolkengebilde sowie den plötzlichen Kälteeinbruch. 


Wir entschließen uns nach kurzer Beratung, erst einmal hier auf dem Parkplatz zu warten. Zwischendurch versuchen wir durch die anderen Wartenden, alles Chilenen oder Argentinier, zumeist Lkw-Fahrer, an Informationen zu kommen. Zuerst heißt es, die Strecke könnte gegen Mittag wieder öffnen. Wir hoffen darauf, schließlich ist dies auf mehrere hundert Kilometer die einzige – und vor allem – wichtigste Verbindungsstraße beider Länder. Es ist eiskalt im Wagen, wir frieren und dann beginnt es, auch in Uspallata zu schneien. Unsere Stimmung ist auf dem Tiefpunkt und im Auto wird es einfach zu kalt. Wir fahren in den Ort und buchen uns für 200 Pesos pro Zimmer im Los Condores ein. Besser wir investieren jetzt diesen Betrag und sitzen im Warmen als möglicherweise bei einer längeren Sperrung und weil alle verfügbaren Zimmer ausgebucht sind, die Nacht im Wagen einzufrieren. 


Im Hotel treffen wir auf zwei Chilenen, die nach Santiago wollen. Sie erzählen uns, sie waren in Buenos Aires auf einer Hochzeit, dann hat die Airline gestreikt und sie haben keinen Flug mehr bekommen, daher nahmen sie sich einen Mietwagen … und sitzen nun hier fest. Durch die beiden erhalten wir immer mal wieder einen Zwischenstand, aber dieser lautet nur, es gibt nichts Neues. 


Ich mache mir derweilen andere Sorgen. Unsere Autoversicherung für Argentinien läuft übermorgen ab, bis dahin müssen wir wieder zurück in Chile sein. Der einzig passierbare Pass bei diesen Bedingungen befindet sich im Süden kurz vor Bariloche, genau genommen sind es bis dahin mehr als 1.300 Kilometer, die zudem nicht durchgehend asphaltiert sind, überdies müssten wir diese Strecke in Chile wieder nordwärts fahren. Wir könnten von Glück sagen, wenn wir bei dieser Extremtour unser Flugzeug erreichen, von unserem Boutique Hotel in Valparaíso könnten wir uns ohnehin verabschieden. Plan B muss her. Die Teilzeitreiseleitung entscheidet daher, dass wir – sollte der Pass bis morgen früh nicht geöffnet sein – Richtung Süden fahren und über diesen niedrigen Andenpass zurück nach Chile. 


Ab dem frühen Nachmittag klart der Himmel auf und in mir wächst ein verwegener Plan, nachdem ich auf die Karte schaue. Zwischen Uspallata und der Grenze gibt es noch einen winzigen Ort, Los Penitentes. Sollte der Pass öffnen, würden wir uns mit Hunderten von Lkws anstellen müssen, um die Grenze zu passieren. Wie lange sollte das dauern. Zuerst bespreche ich meinen Plan kurz mit meinem Mann, der zustimmt. Angelika und Joachim sind zu Anfang skeptisch, dann aber können wir sie überzeugen. Selbst wenn es nicht klappen sollte, käme es auf die wenigen Kilometer zusätzliche Strecke am nächsten Tag nicht mehr an.


Wir lassen vom Hotel im dortigen Hotel anrufen, tatsächlich kann man uns zwei Zimmer reservieren, auch wieder für 200 Pesos pro Zimmer, das scheint heute der Standardpreis zu sein. Mit dieser Reservierung fahren wir bis zur Sperrung, man lässt uns passieren. Auf der Mitte der Strecke gibt es eine weitere Kontrolle, nachdem wir von unserer Reservierung berichten, lässt man uns auch hier durchfahren. Allerdings kann uns immer noch niemand sagen, wieweit die Aufräumarbeiten auf der anderen Seite des Tunnels fortgeschritten sind. 


Im Hotel treffen wir auf weitere Gestrandete und nicht viel später treffen auch die beiden Chilenen, die wir aus dem Hotel kennen, ein. Die Zimmer sind eiskalt, unter normalen Umständen würden wir hier keinesfalls übernachten. Selbst nachts unter den Decken wird es nicht warm, wir tragen mehrere Schichten Kleidung. Meine Decke stinkt. 


Tag 25 – Los Penitentes – Valparaíso 

Zurück in Chile … große Erleichterung


Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten bin ich sehr früh wach. Eigentlich haben mein Mann und ich kaum geschlafen. Na ja, hier lädt auch nichts dazu ein, es sich gemütlich zu machen. 


Ich gehe in den Gemeinschaftsbereich. Nur wenige andere halten sich dort auf. Dann plötzlich macht die Nachricht die Runde, die Grenze sei wieder geöffnet. Ich renne sofort zu unserem Zimmer, wir haben ohnehin fast alles gepackt, um sofort startklar zu sein. Dann klopfe ich bei Angelika und Joachim an. Beide schlafen fest, keine Ahnung, wie sie hier so gut schlafen konnten, darüber wundern sich beide selbst. Genauso wundern wir uns, wie schnell beide dann startbereit sind. Im Hotel ruft man uns und den anderen Gästen noch nach, ob wir kein Frühstück möchten. Nein, möchten wir nicht. Wir möchten nur so schnell wie möglich diesen Ort verlassen und nach Chile.


Vereinzelt fahren bereits die ersten Lkws vorbei. Wir setzen uns in unsere Autos und … unser Wagen springt nicht an. Es war so kalt in der Nacht und wir fahren einen Diesel. Na toll. Mein Mann schlägt vor, dass wir den Wagen in die Sonne schieben. Vor lauter Aufregung stehen wir drei auf der falschen Seite und wollen den Wagen in die falsche Richtung schieben, direkt auf einen Laternenpfahl, bis mein Mann ganz trocken fragt, was wir eigentlich vorhaben. Das ist auch wieder so eine Situation, über die wir heute immer wieder lachen können. Nachdem wir dann die richtige Schieberichtung gefunden haben und der Wagen etwa 15 Minuten in der Sonne gestanden hat, springt er tatsächlich an. Währenddessen haben Angelika und ich jeden vorbeifahrenden Lkw nicht gerade mit Freude betrachtet, bedeutet jedes dieser Monstervehikel für uns doch eine längere Wartezeit. Uns bleibt heute keine Zeit für die Puente del Inca, die Lagunas Los Horcones und den Blick zum Aconcagua mit seinen 6.962 Metern, all das hatten wir eigentlich auf dieser Strecke eingeplant, aber die Priorität lautet jetzt, irgendwie nach Chile einreisen. Was wir jetzt noch nicht wissen, all das werden wir zwei Jahre später nachholen.


Teilweise liegen Eisplatten auf der Fahrbahn, teilweise ist sie aber auch gut zu befahren. Zwischendurch können wir sogar den einen oder anderen Lkw hinter uns lassen. Dann erreichen wir die Grenzstation, die sich auf einer Höhe von 3.200 Metern befindet. Mir scheint, als wären wir tatsächlich mit die Ersten, die sich an der Grenze einfinden – so, wie von mir erhofft und dank der Übernachtung in Los Penitentes. Irgendwann sind dann auch wir an der Reihe. Die Ausreise aus Argentinien geht zügig, die Einreise nach Chile dauert, wie gewöhnlich, etwas länger. Ein Hund wird über das Gepäck und durchs Auto geschickt. Nachdem dieser nicht anschlägt und sein Leckerli erhalten hat, dürfen wir nach Chile einreisen. Bereits um 09:15 Uhr haben wir wieder chilenischen Boden unter den Reifen.


Portillo mit der Laguna del Inca auf 2.800 Meter liegt im Schnee, die bald darauf folgenden Serpentinen runter ins Tal sind imposant, aber die Straße ist frei, noch nicht sonderlich stark befahren und unten angekommen, wie von Zauberhand, begrüßt uns der Frühling. Wir sind alle vier sehr erleichtert, dass wir wieder zurück in Chile sind und uns ein riesiger Umweg erspart geblieben ist. Die Teilzeitreiseleitung hat mit ihrem verwegenen Plan das Glück auf ihrer Seite gehabt.

Wir fahren zum Flughafen, wo wir die Mietwagen abgeben. In 23 Tagen sind wir 5.832 Kilometer gefahren. Von unterwegs habe ich mit dem Hotel telefoniert und tatsächlich wartet bereits der Transfer, um uns nach Valparaíso zu bringen, wo wir am Nachmittag eintreffen. 


So langsam nähert sich unser Puls wieder Normalniveau und als wir die wunderschöne Casa Higueras betreten, bedauere ich einen ganz winzig kleinen Moment, dass wir hier eine Nacht verloren haben, bin dann aber sofort wieder sehr erleichtert, dass sich das Problem, das durchaus wesentlich größer hätte werden können, in Wohlgefallen aufgelöst hat. Wir beziehen unsere gebuchte Zimmerkategorie mit Balkon, der eine tolle Sicht auf Valparaíso und den Hafen bietet. Ist das hier schön. 


Tag 26 – Valparaíso 

Auf den Spuren eines großen Chilenen


Das Casa Higueras auf dem Cerro Alegre ist wirklich ein Schmuckstück mit toller Aussicht. Es ist sicherlich nicht gerade preiswert, zudem haben wir nicht die günstigste Zimmerkategorie gewählt, da wir unbedingt einen Balkon mit Aussicht wollten. Unsere Zimmerwahl ist einfach nur perfekt, sehr aufmerksam finden wir vom Personal, dass man uns zwei nebeneinander liegende Zimmer gegeben hat, sodass wir uns mit unseren Freunden unterhalten können, während wir hier sitzen und den Blick über Valparaíso schweifen lassen können. 


Während unserer ersten Reise nach Chile haben mein Mann und ich einen Tagesausflug nach Valparaíso, Viña del Mar und Reñaca gemacht. Valparaíso und die Fahrten mit den Schrägaufzügen hat uns so gut gefallen, dass wir unbedingt noch einmal herkommen wollten --- und einige Jahre später hat das tatsächlich geklappt, wir sind hier. 


Angelika und Joachim möchten gleich runter in die Stadt, daher werden wir heute ein weiteres Mal getrennt unterwegs sein. Zuerst steht Kultur auf dem Programm. Da wir seinerzeit an einem Montag in Valpo waren, standen wir im La Sebastiana vor verschlossenen Türen. Zum Glück ist heute kein Montag und so werden wir nach einem ausgezeichneten Frühstück von einem Taxifahrer über verschiedene Hügel zum Haus von Pablo Neruda gebracht. Pablo Neruda hatte insgesamt drei Häuser, das La Chascona in Santiago de Chile, das wir uns vor ein paar Jahren angeschaut haben, La Sebastiana hier in Valpo und Isla Negra, das etwas weiter südlich an der Küste zu finden ist. Alle drei Häuser gehören heute zur Fundación Pablo Neruda und sind unbedingt sehenswert, wie ich finde. Eigentlich hatte ich geplant, diesmal auch Isla Negra anzuschauen, aber der Wintereinbruch im Frühling hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich nehme mir jetzt ganz fest vor, diesen Besuchspunkt unbedingt nachzuholen. Was ich noch nicht weiß, einige Jahre später werde ich das in die Tat umsetzen können.


Blick auf einen Teil seines wundersamen Hauses in Isla Negra – aufgenommen auf einer späteren Reise nach Chile:

Pablo Neruda, der eigentlich Neftalí Reyes Basolto hieß, lebte von 1904 bis 1973. Nach seinem Tod wurde er im Garten seines Hauses in Isla Negra beigesetzt, wo später auch seine dritte Ehefrau, Matilde Urrutia (1912 - 1985), ihre letzte Ruhe fand. 


Geboren am 12. Juli 1904 im wunderschönen Araukarien als Sohn eines Eisenbahners wurde er zu einer der bekanntesten Personen Chiles. Wie Gabriela Mistral, deren Spuren wir zu Anfang unserer Reise im Valle del Elqui folgten, erhielt auch er einen Literaturnobelpreis (1971). Ich muss zugeben, gelesen habe ich bisher von ihm nur seine mit biografischen Zügen durchsetzten Memoiren „Ich bekenne, ich habe gelebt“. 


Er war nicht nur ein großer Dichter, sondern auch politisch sehr aktiv. Als enger Freund von Salvador Allende wurde nach dem Militärputsch vom 11. September 1973 sein Haus in Santiago de Chile verwüstet. Wenige Tage später, am 25. September 1973, verstarb Pablo Neruda. Bereits in jungen Jahren vertrat er Chile als Diplomat und Konsul in Südostasien, Mittelamerika und Europa. Später machte er weiter Karriere in der Kommunistischen Partei und verzichtete zugunsten seines Freundes Salvador Allende auf die Präsidentschaftskandidatur. 


Er galt zudem als Sammler und seine Häuser, das eine mehr, das andere weniger, sind vollgestopft mit einem Sammelsurium verschiedenster Dinge. Das konnten wir bereits im verzaubert wirkenden Stadthaus, La Chascona, bewundern. La Sebastiana wirkt von allen drei Häusern als das geradlinigste auf mich – zumindest, wenn man den Maßstab des Pablo Neruda Stils anwendet. Verwinkelte Räume und die manchmal etwas verwunschene Bauweise sehen wir auch hier.


Besonders gut gefällt mir an diesem Haus in Valpo, dass man es individuell ohne Tour besichtigen kann. So schlendern wir durch das Haus und bestaunen vor allem die Aussicht, die er hier hatte. Fotografieren im Inneren des Hauses ist nicht gestattet.

Nach einem kurzen Stopp im Casa Higueras gehen wir zu einem der für Valparaíso so bekannten Schrägaufzüge, dem Ascensor El Peral. Nicht jeder dieser Aufzüge würde wohl einer deutschen TÜV-Prüfung standhalten. Wir jedenfalls genießen die Fahrt, die unweit des Plaza Sotomayor endet. Über den Platz, durch verschiedene Straßen und am Hafen entlang bummeln wir durch diese Stadt, die man mit ihrem besonderen morbiden Charme und voller Melancholie wohl mag oder nicht. Uns gefällt diese Stadt sehr, auch wenn wir aus Sicherheitsgründen wieder nur eine kleine Knipse dabei haben.


Tag 27 – Valparaíso – Santiago de Chile – Buenos Aires

Adiós Chile - Bienvenidos a Argentina


Als bekennende Eule mag ich es gar nicht, wenn der Wecker so früh klingelt. Aber hilft ja alles nichts. Um 07:15 Uhr müssen wir bereits das wunderschöne Casa Higueras verlassen. Leider gibt es einen kleinen Wehrmutstropfen beim Auschecken. Wir können zum einen verstehen, dass man uns die nicht wahrgenommene Nacht berechnet, zum anderen hätten wir uns über ein kleines Entgegenkommen und wenn es nur die Einladung zu einem Drink gewesen wäre, gefreut. Nun gut, das ist alles okay. Nicht okay finden wir jedoch, dass still und leise 50 USD auf unserer Rechnung erscheinen und wir nicht wissen, wofür. Nach Rückfrage heißt es, das sei Trinkgeld und wir könnten es auch gerne streichen. Genau das machen wir auch. Wir geben gerne und ausreichend Trinkgeld, wenn wir zufrieden sind, was wir auch in den letzten zwei Tagen bei Anspruch eines Services im Hotel gemacht haben, aber eine solche Summe einfach so stillschweigend auf die Rechnung zu setzen, empfinden wir als frech. Trotzdem würden wir genau die gleiche Zimmerkategorie buchen, aber selbstverständlich beim Auschecken einen kritischen Blick auf die Abschlussrechnung werfen. 


Der Flug mit der LAN Argentina verläuft über der Andenkordillere ruhig und so setzen wir bereits 90 Minuten später zur Landung auf dem Aeroparque Jorge Newberry an. Die Landung lässt mir das Adrenalin in den Körper steigen, zweimal und sehr merkwürdig, begleitet von äußerst seltsamen Geräuschen setzt die Maschine auf, um dann plötzlich mit lautem Getöse durchzustarten. Wir steigen wieder recht hoch auf und nach einer gefühlten Ewigkeit meldet sich der Pilot mit einer Durchsage. Wir erfahren, dass das automatische Landesystem Probleme bereitet. Jetzt wird das Adrenalin noch mit einem Gefühl der Angst verstärkt. Hoffentlich geht das gut. Die Passagiere um uns herum, soweit ich das sehen kann, fühlen sich nicht anders als ich. Ich bin heilfroh, dass mein Mann neben mir sitzt. Wir drehen eine große Runde und nach einer weiteren halben Stunde setzen wir zur erneuten Landung an. Die Maschine setzt auf einer Seite auf und dann – ebenfalls wieder nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sich der Bruchteil einer Sekunde wie eine Stunde anfühlt -, auf der anderen Seite, um schließlich auch die Nase des Fliegers auf den Boden zu bringen. Die Maschine bremst so stark ab, wie ich es noch nie zuvor auf meinen Flügen erlebt habe.


Wir sind gelandet und darüber heilfroh!


Für Buenos Aires bleiben uns für eine Kurzbesichtigung nur die restlichen Stunden des Nachmittags. Wir buchen uns daher eine Remise von Manuel Tienda Leon. Der freundliche Fahrer bringt uns und unser Gepäck zuerst zu unserem gebuchten Hotel Vista Sol. So richtig gefällt es uns hier nicht. Es ist zwar irgendwie hip, aber gleichzeitig fühlen wir uns wie in einem Bunker mit Campingatmosphäre. Nun gut, für eine Nacht wird es gehen und der Preis war wirklich gut. 


Durch den üblichen chaotischen Verkehr in Buenos Aires lassen wir uns nach La Boca fahren. Gerne möchte ich meinem Mann die bunte Häuserzeile des El Caminito zeigen. Es ist wohl eines der bekanntesten Motive Buenos Aires. Eigentlich handelt es sich tatsächlich nur um eine Straße und eine Straßenecke, wo diese farbigen Häuser stehen. Wir schauen uns alles an, sind aber gleichzeitig sehr wachsam, dieses Viertel gilt als nicht ganz ungefährlich. 

Mehr Zeit haben wir leider nicht und können nur ein paar wenige Schnappschüsse auf der Rückfahrt aus dem Auto machen. Als einzige habe ich diese schöne Stadt vor einigen Jahren während eines dreitägigen Aufenthaltes länger kennenlernen können. Vielleicht ergibt sich dafür auch die Gelegenheit für meinen Mann bei einer weiteren Reise. 


Tag 28 – Buenos Aires - Heimflug

Eine Geschichte von Submarino


Es ist kaum zu glauben, aber morgen vor 4 Wochen haben wir Deutschland verlassen und heute werden wir bereits zurückfliegen. Aber noch steht die Geschichte von Submarino aus. Der eine oder andere Leser wird sich vielleicht erinnern und sagen, El Submarino hatten wir doch bereits im Parque Triasico Ischigualasto. Dem kann ich jedoch erwidern, dass beim Schreiben des Titels zum Reisebericht die Auflistung den Getränken galt und keinen Formen aus Sandstein aus längst vergangenen Zeiten.


Ich möchte unbedingt noch einen Submarino trinken und welcher Ort bietet sich dazu an, nachdem wir am Morgen auf der Calle Florida ein paar kleinere Einkäufe getätigt haben? Das Gran Cafe Tortoni. Das Cafe Tortoni wurde im Jahr 1858 eröffnet und ist eine Institution in Buenos Aires. Als wir dort ankommen, bin ich allerdings geschockt. Es hat sich tatsächlich eine Schlange vor dem Eingang gebildet … bei meinem ersten Besuch vor sechs Jahren war dies nicht der Fall und das Cafe war nahezu nur von Einheimischen besucht. Schade, jetzt ist es wohl ein Must-Visit aller Touristen geworden. Nun gut, wir stellen uns an, obwohl wir normalerweise bei solchen Szenarien schlagartig die Location verlassen, aber ich möchte so gerne hier noch einen Submarino trinken. Angelika ebenso, die Männer könnten darauf verzichten, warten uns zuliebe aber mit. Recht schnell können wir dann aber das Cafe betreten. 


Angelika und ich bestellen gefühlte Hunderttausend Kalorien in Form eines Submarinos und Apfelkuchens, während sich unsere Männer auf Tee und Kaffee beschränken. Nun gut, was ist ein Submarino? Der argentinische Submarino ist ein Stück Schokolade in Form eines Unterseebootes, das in heißer Milch aufgelöst und wenn man, wie hier im Cafe Tortoni, die richtige Schokolade dafür verwendet (da gibt es große Unterschiede, wie ich in Argentinien festgestellt habe), schmeckt das Ganze einfach nur köstlich. 

Nach diesen Kalorienbomben ist es auch schon Zeit, zum Flughafen zu fahren. Wir erhalten die reservierten Zweierreihen ganz am Ende, trotzdem ist es wirklich ein sehr langer Flug.


Tag 29 – Ankunft Frankfurt 

Zuhause


Der Kranich-Flieger landet am nächsten Vormittag überpünktlich nach nur 12 Stunden und 20 Minuten reiner Flugzeit ohne nennenswerte Vorkommnisse in Frankfurt. Die Reise ist leider schon wieder vorbei, aber wir sind um viele Erinnerungen und Erlebnisse reicher. 


Fazit


Es war die erste Reise, die wir zu viert unternommen haben. Durch unsere Vorgabe, zwei Fahrzeuge anzumieten, hatte jeder seinen Freiraum und genau das war die absolut richtige Entscheidung. Aufgrund einiger Probleme mit den Autos war es darüber hinaus von großem Vorteil, im Fall der Fälle auf ein zweites Fahrzeug zurückgreifen zu können. Wir haben uns während der vier Wochen sehr gut verstanden und hatten viel Spaß miteinander. Das hätte auch anders kommen können. Hilfreich war sicher, dass wir bereits im Vorfeld besprochen hatten, was die Erwartungen sind. So stehen wir einer Wiederholung positiv gegenüber und was wir zum Ende der Reise noch nicht wussten, aber jetzt, wo ich das Fazit schreibe, kann ich sagen, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt zwei weitere gemeinsame Reisen auf den südamerikanischen Kontinent unternommen haben. 


Trotz kleiner Probleme mit den Mietwagen waren wir sehr zufrieden mit unseren Vehikeln. Die Unterkünfte waren oft superb, manchmal überragend, einige wenige waren zweckmäßig, aber das war keine Überraschung mangels Alternativen bei der Buchung und in diesen Fällen waren wir darauf vorbereitet. Wir wurden nirgends enttäuscht, im Gegenteil, mehrere haben wir mit Wehmut verlassen. Das Hotel in Los Penitentes kann ich nicht als Enttäuschung anführen, da ich es unter normalen Umständen nicht gebucht hätte. Angelikas und Joachims Bewertung fällt genauso aus, obwohl sie in dieser Nacht ausgesprochen gut geschlafen haben, was uns allen wohl für immer ein Rätsel bleiben wird.


Auf die Natur haben wir keinen Einfluss, so auch nicht auf den heftigen Wintereinbruch im Frühling in den Anden; leider genau an dem Tag, an dem wir die Grenze hätten überqueren sollen. Aber zum Glück hat sich auch dieses Problem gelöst. Überhaupt haben wir immer eine Lösung gefunden.


Die Route, die ich gewählt hatte, war zur Zeit der Planung und Buchung eine eher außergewöhnliche Route. Wenige Jahre später wird sich vieles davon im Programm von Reiseveranstaltern wiederfinden. Wir haben die Route wohl zur richtigen Zeit bereist, oft waren wir (fast) alleine vor Ort. Einige Sehenswürdigkeiten blieben aufgrund des Zeitlimits auf der Strecke, vielleicht hätte man sogar noch etwas mehr reinpacken können, aber das entspricht nicht unserer Art des Reisens. Wir mögen es gerne, auch einmal ein paar Stunden auf der Terrasse einer wunderschönen Unterkunft zu sitzen, das Erlebte Revue passieren zu lassen und einfach zu genießen. 


Ich weiß nicht, ob ich irgendetwas hervorheben sollte. Alles Gesehene war wunderschön und/oder eindrucksvoll, auf alle Fälle intensiv und wird sich hoffentlich für immer in meinem Gedächtnis eingebrannt haben. Die Landschaften des Altiplanos und der Puna, die ich immer wieder gerne als episch bezeichne, haben mich einfach in ihren Bann gezogen. Die Farben, selbst die Farben der Orte, sei es nun die kleinen farbigen Häuser der aufgeräumten Dörfer im kleinen Norden Chiles, die bunten, maroden Bauten in Valparaíso, indigen geprägten Orte nördlich von Salta, Salta „la linda“ selbst oder das bezaubernde Cachi und die Kulturlandschaft des Weinbaus rings um den Ort Cafayate. 


Hinzu kommt diese unglaubliche Vielfalt, die diese Route über die Farbenwelt der Orte oder der Atacama/Puna hinaus geboten hat, die ihren Höhepunkt in den Parks Talampaya und Ischigualasto gefunden hat – und dann gibt es noch diese kleinen Orte und Parks, die uns einfach nur positiv überrascht haben, wie der Parque Nacional El Leoncito oder Barreal … und natürlich das Valle del Elqui oder die Oase im Valle Hurtado oder auch einfach einmal auf den Spuren der Geschichte Chiles in einem der Häuser Pablo Nerudas zu wandeln. 


Es wundert mich sehr, dass viele dieser Gegenden noch relativ unberührt sind, obwohl sie so unfassbar schön sind; gleichzeitig bin ich jedoch auch sehr froh darüber, dass es (noch) so ist.


Kurzum, ich kann nichts herausheben, es war eine grandiose Reise, die mich bereichert hat und an die ich immer sehr gerne zurückdenken werde. 



„Wer die Abenteuerlichkeit des Reisens ins Blut bekommt, wird diese nicht wieder los.“   - Bruno H. Bürgel

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