Georgien
Kleinod zwischen großem und kleinem Kaukasus
- Teil 1 von Tiflis bis Kutaissi -
Prolog
Vor etwa einem Jahrzehnt wurde ich auf Georgien als Reiseland aufmerksam. Ich sah eine Dokumentation im TV, die mein Interesse weckte. Ein Reiseführer war schnell gekauft und ich begann darin zu schmökern. Immer mal wieder spielte ich mit dem Gedanken, in dieses vom Tourismus noch nicht überlaufene Land, gelegen zwischen großem und kleinem Kaukasus, zu reisen. Immer wieder kam aber auch etwas dazwischen, meist waren es andere Reiseziele, die den Vorrang erhielten.
Nun ergab sich, dass ich einige Tage zur Verfügung hatte für eine Reise. Leider war es meinem Mann nicht möglich, mich zu begleiten. Da ich weniger als zwei Wochen unterwegs sein wollte, war klar, dass ich für diesen Zeitraum keine Fernreise machen wollte und da kam Georgien einmal mehr ins Spiel. Ich schaute bei Veranstaltern, wer eine passende Reise für mich im Programm hatte, zeitlich war ich an feste Daten gebunden. Aber ich wurde schnell fündig und genauso schnell war die Reise gebucht, nachdem ich meine Flugwünsche platziert hatte.
Ich war schon sehr gespannt, was mich alles auf dieser Reise erwarten würde, war ich doch einigermaßen vorbereitet, jedoch längst nicht so detailliert, wie ich es gewöhnlich bin bei einer Reise, die wir selbst planen und in der Regel ein Jahr im Voraus buchen.
Tag 1 – Flug Frankfurt – Wien - Tiflis
Rein ins Vergnügen der Übernächtigung
Die Flugzeiten nach Tiflis sind nicht unbedingt optimal, die Übermüdung ist bei mir vorprogrammiert. Aber wie sage ich gerne: „So eine Reise ist kein Ponyhof“.
Jedoch der Reihe nach. Mein Mann bringt mich zum Flughafen und wir kommen trotz der Uhrzeit, zu der sich viele Arbeitnehmende bereits auf dem Weg nach Hause befinden, erstaunlich gut durch. Mein Mann wird allerdings auf der Heimfahrt kurzzeitig im Stau stehen dürfen.
Die Wartezeit in Frankfurt verbringe ich in einer tollen Lounge, wie ich sie so bisher noch nicht in Frankfurt kennengelernt habe.
Mein Hinflug wird von der Austrian durchgeführt, mit der ich das erste Mal fliege. So führt auch der erste Streckenabschnitt nach Wien. Die Crew ist sehr freundlich und es gibt sogar ein warmes Essen.
In Wien steige ich um. Weiter geht es nach Tiflis, allerdings mit einer kleinen Verspätung, da die Flugfreigabe auf sich warten lässt. Zu meiner Freude habe ich eine Dreierreihe für mich alleine, was mir die Gelegenheit gibt, ein wenig Schlaf zu tanken.
Tag 2 – Tiflis
Welche ist die passende Schublade?
Mitten in der Nacht landen wir in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Es scheint, als würden alle Maschinen hier in der Nacht landen. So eine ewig lange Einreiseschlange habe ich noch nie erlebt, selbst nicht in Buenos Aires. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, die aufgrund des Schlafmangels weder bei mir, noch bei den anderen Reisenden, wenn ich mich so umblicke, zu Begeisterung führt.
Irgendwann habe ich es aber geschafft und lerne die ersten Mitreisenden sowie unsere Reiseleiterin kennen. Ich bin heilfroh, als wir unser Hotel erreichen. Langsam bricht der neue Tag herein, es dämmert bereits.
Keine drei Stunden Schlaf habe ich bekommen, als der Wecker mich aus dem Tiefschlaf holt. Wie tief dieser gewesen ist, erfahre ich beim Frühstück. Es gab Feueralarm im Hotel, der sich zwar als Fehlalarm herausstellte, aber ich habe ihn tatsächlich verschlafen. Ich habe rein gar nichts davon mitbekommen.
Wir bewegen uns heute größtenteils zu Fuß durch Tiflis. Leider verspricht das Wetter wenig Gutes.
An jeder Ecke der Stadt entdecke ich Fotomotive und muss mehr als einmal schauen, dass ich den Kontakt zur Gruppe nicht verliere.
So sehr ich mich bemühe, ich finde keine passende Schublade für diese Stadt, sie ist gänzlich anders als alle Städte, die ich bisher gesehen habe. Kleine, nicht selten renovierungsbedürftige Wohn- und Bürgerhäuser mit ausladenden Balkonen, die zumeist zu Beginn und Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut wurden, prägen einerseits das Stadtbild, ebenso wie die Kirchen in ihrem so anders wirkenden Baustil, andererseits finden sich immer wieder Ecken, in denen sich zeitgenössische Künstler mit interessanten Werken zeigen. Dann gibt es wiederum moderne Bauten, wie die Freundschaftsbrücke oder die Seilbahn. Aber damit nicht genug, dazwischen finden sich Zweckbauten aus der kommunistischen Ära. Ich suche nach der passenden Schublade, kann sie jedoch nicht finden. Man muss diese Stadt wohl gesehen haben, um zu verstehen, was ich meine.
Mit der Seilbahn fahren wir hoch zur Festung, von der nicht mehr viel übrig ist, aber von oben hat man einen schönen Blick auf Georgiens Hauptstadt mit dem Mtkwari, der durch sie hindurch fließt. Hier oben steht auch die Statue der Mutter Georgiens.
Ein heftiger Regenschauer zieht auf. Wir nutzen die Zeit fürs Mittagessen. Georgien ist bekannt für eine sehr gute Küche und ich kann es für mich nur bestätigen. Alles, was ich probiere, schmeckt hervorragend.
Nur sehr kurz nach dem opulenten Mahl hat der Regen eine Pause eingelegt. Einigermaßen trockenen Fußes schaffen wir es zur Kwaschweti Kirche.
Im Eingangsfoyer des Museum of Fine Arts finden wir Unterschlupf vor dem Nass bis unser Bus vorfährt. Alleine von den wenigen Exponaten, die ich hier sehe, bin ich total geflasht. Ich glaube, ein Besuch dieses Museums werde ich auf alle Fälle einplanen, sollte ich noch jemals eine weitere Reise in das kleine Land im Kaukasus unternehmen.
Aufgrund des schlechten Wetters werden die verbleibenden Programmpunkte in Tiflis auf den morgigen Tag verschoben. Hoffentlich spielt dann der Himmel wieder mit.
Nach einer Pause auf dem Zimmer entschließe ich mich, der Zminda-Sameba Kathedrale einen Besuch abzustatten. Es ist zwar bereits 19:00 Uhr, aber der Regen pausiert und ich will mir diese Sehenswürdigkeit nicht entgehen lassen.
Durch kleine Straßenzüge laufe ich zur Kathedrale, natürlich nicht, ohne immer mal wieder das Handy für einen Schnappschuss zu zücken. Auf die Kamera habe ich verzichtet und lasse sie zurück im Hotelzimmer. Es war mir einfach zu viel Schlepperei.
Oben auf dem Hügel angekommen bin ich absolut begeistert vom Bau, dem Platz, dem anliegenden Kloster, einfach allem. Ich verweile recht lange und bin sehr froh darüber, dass ich mich zu diesem Ziel aufgerafft habe, auch wenn es fast schon dunkel ist, als ich durch die Tür meines Hotels trete.
Trotz des regnerischen Wetters habe ich heute fast 16.000 Schritte zurückgelegt.
Tag 3 – Tiflis – Gudauri
Schublade verzweifelt gesucht, da hilft auch kein Weinpröbchen
Als ich am Morgen zum Himmel schaue, leuchtet mir dieser in Stahlblau entgegen. Wie schön ist das, ich freue mich auf den vor mir liegenden Tag.
Wir holen heute den übrig gebliebenen und buchstäblich ins Wasser gefallenen Altstadtbesuch von gestern nach. In Tiflis leben die verschiedenen Religionen schon immer friedlich miteinander. So stehen in der Altstadt eine Moschee und eine Synagoge zwischen zahlreichen Kirchen, die sich wiederum in verschiedene christliche Glaubensrichtungen aufteilen.
In den engen Gassen gibt es viel zu entdecken. Neben den Schwefelbädern einmal mehr Häuser mit ausladenden und verspielten Balkonen, Kunst und Murals aller Art. Bei letzteren fällt mir auf, dass gerne Katzen als Motiv herhalten müssen.
Tiflis gefällt mir gut und hat mich sehr positiv überrascht. Da diese Stadt nicht sonderlich präsent bei uns ist, hatte ich zugegebenermaßen auch keine so rechte Vorstellung, was mich hier erwarten würde. Allerdings gebe ich es auf, weiter nach einer passenden Schublade zu suchen. Diese Stadt braucht definitiv ihre eigene, verdient hat sie es auf alle Fälle.
Als Georgien vor vielen Jahrhunderten noch ein Königreich war, war Mzcheta die Hauptstadt des Landes. In diesem ehemaligen Zentrum des Landes stehen zwei Kirchen, die zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Die kleinere, die Dschwari Kirche, thront hoch oben auf einem Bergrücken. Dieser statten wir nun einen Besuch ab. Die größere, im Ort gelegene Sweti-Zchoweli Kirche, werden wir später am Tag besichtigen.
Ich muss zugeben, beim nächsten Programmpunkt bin ich überrascht, hatte ich doch nicht mit solch einem geradezu imposanten Weingut in Georgien gerechnet. Das Mukhrani trägt die Bezeichnung Château wohl zurecht. Im Grunde genommen sollte es mich aber nicht überraschen, ist Georgien doch das älteste Land, in dem Wein produziert wurde, nämlich bereits schon vor 8.000 Jahren. Ich staune nicht schlecht, als ich dies höre.
Die Herstellung des Rebensaftes im Land wird anders durchgeführt, als wir es normalerweise kennen. Der Wein wird in Amphoren produziert, über Monate gärt er in diesen, die dazu in der Erde eingegraben sind.
Die Weinprobe gefällt mir sehr gut und ich als absoluter Amateur führe Gespräche über den Geschmack und zu den Unterschieden, die ich ganz erheblich finde bei Chardonnay und Sauvignon Blanc. Ob es nun daran liegt, dass ich mehr oder weniger als einzige mit der Dame palavere, weiß ich nicht, aber irgendwie ist es witzig, habe ich nun doch nicht die allzu große Ahnung vom Metier. Mehr noch überrascht mich, dass diesmal entgegen aller sonstiger Weinpröbchen der Rote mein Favorit ist. Wäre mein Mann dabei gewesen, hätte er sich sicherlich köstlich über das Schauspiel amüsiert.
Die Sweti-Zchoweli Kirche in Mzcheta ist die bedeutendste Kirche Georgiens. Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert, ein Teil mit der Basilika sogar aus dem 4. Jahrhundert. Hier lebte die heilige Nino, eine junge Frau, auf die die Christianisierung Georgiens zurückzuführen sein soll.
In dem Gotteshaus herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, wozu die Sonnenstrahlen, die mit ganzer Kraft durch den kleinen Ausschnitt weit oben im Gemäuer ins Innere fallen, einen nicht unerheblichen Anteil beitragen. Als dann noch ein Mönch an mir vorbeigeht und mich segnet, weiß ich kaum, wie mir geschieht.
Einen letzten Stopp des heutigen Tages legen wir an der wunderschön am Stausee Jinvali gelegenen Ananuri-Festung ein.
Es ist schon recht spät, als wir unser Übernachtungsziel für die beiden nächsten Nächte in Gudauri erreichen. Dieser Ort liegt auf mehr als 2.000 Metern Höhe, umgeben von schneebedeckten Bergen.
Ein sehr ereignisreicher Tag geht zu Ende. Ich bin vollgepackt mit neuen Eindrücken. Morgen geht es noch weiter hinauf. Wir werden entlang der Heerstraße fahren, fast bis zur russischen Grenze.
Tag 4 – Gudauri (Heerstraße)
Entlang der Heerstraße mit ihrer imposanten Bergwelt
Frühmorgens trete ich auf meinen kleinen Balkon. Es ist kalt, so kalt. Temperaturen um den Gefrierpunkt zeigt das Thermometer an, aber der Himmel entschädigt mit viel Blau.
Knapp 45 Kilometer trennt Gudauri von der russischen Grenze auf der Heerstraße. Die Strecke führt in zahlreichen Kurven und entlang von Abhängen, die nicht selten nur rudimentär gesichert sind, durch die wunderschöne Bergwelt des großen Kaukasus. Es ist enorm, wie viele LKWs hier entlangfahren.
Den ersten Stopp legen wir am Denkmal der georgisch-russischen Freundschaft ein. Die Aussicht auf die umliegenden Berge, die sich von hier auftut, ist beeindruckend.
In Stepanzminda, was übersetzt der „Heilige Stefan“ bedeutet, steigen wir in Allradfahrzeuge um. Unser kleiner Bus darf die wenige Kilometer betragende und sogar asphaltierte Strecke hinauf zur Gergeti-Kirche nicht fahren.
Die Kirche wurde im 14. Jahrhundert errichtet. Sie ist für die Georgier eine bedeutende Wallfahrtskirche mit original Wandmalereien. Mich beeindruckt das kleine Bauwerk besonders mit seiner Lage auf einem Hügel vor der imposanten Kulisse der schneebedeckten Gipfel.
Durch die Dariali-Schlucht fahren wir zum gleichnamigen Kloster, wo wir einen kurzen Stopp einlegen und einen Blick in die Bibliothek sowie den Weinkeller werfen können. Die Grenzstation nach Russland kann man von hier sehr gut sehen, sie ist nur einen Katzensprung entfernt.
Auf dem Rückweg halten wir für das Mittagessen in einem Hotel mit Panoramaaussicht. Die Aussicht von hier ist einmal mehr wunderschön, leider lässt sich aber der Kasbek mit seinen 5.047 Metern nicht blicken.
Schneeschauer begleiten uns auf der verbleibenden Strecke zurück nach Gudauri. Im Spa des Hotels gönne ich mir eine Massage, die leider lediglich durchschnittlich ist. Dafür haben grandiose Bergpanoramen früher am Tag entschädigt.
Fortsetzung ist in Arbeit und folgt ...

„Wer die Abenteuerlichkeit des Reisens ins Blut bekommt, wird diese nicht wieder los.“
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Bruno H. Bürgel